Erfurt. Dem neuen Trainer von Schwarz-Weiß Erfurt bleibt wenig Zeit für Korrekturen. Frischen Schwung bringt er mit und schafft schwere Arme.

Erfurt. Die Arme scheinen langsam weicher zu werden, die Zuspiele kommen flacher bei Co-Trainer Hayden Nichol an. Gil Ferrer Cutino aber macht weiter, wirft den Passgeberinnen Meghan Barthel und Madelyn Cole nacheinander in langen Serien die Medizinbälle zu, bis zum Abschluss die üblichen Volleybälle wieder ins Spiel kommen. So leicht, wie sie davonschnippen, eine Wohltat für die Arme und Schultern.

Und das bei Ferrer Cutino selbst auch. „Harte Arbeit“, wie es der neue Trainer bei Schwarz-Weiß Erfurt nennt, ist angesagt. Sie fordert ihn ebenso und dürfte auch seiner Mission überschrieben sein, die der 46-Jährige vor gut zwei Wochen beim Schlusslicht der Volleyball-Bundesliga übernommen hat. Nach dem Weggang von Dirk Sauermann zum Ende des vergangenen Jahres möchte er die Mannschaft auf Kurs bringen, um in den verbleibenden neun Partien bis zum Saisonende den sportlichen Nachweis der Ligazugehörigkeit zu erbringen.

Kurz ist die Zeit, aber viel Arbeit vonnöten, zumal die Mitbewerber Wiesbaden und Münster sechs Punkte entfernt sind. Die Arbeit verbindet der neue Chef am Netz im Moment besonders mit Grundlagen, mit Kraftaufbau. Wer dabei trotz Medizinball Bleischwere in den Übungen erwartet, liegt daneben. Beschwingt geht der frühere Diagonalangreifer das Vorhaben an, ansteckend vergnügt - mit der ihm angeborenen lateinamerikanischer Leichtigkeit.

Gil Ferrer Cutino stammt aus Kuba, liebt von klein auf Volleyball und später vor allem die Beachvariante. 2002 ist er der Liebe wegen mit nach Deutschland gekommen, hat eine Sperre, eine Art Berufsverbot als Heimatbotschaft mit auf den Weg über den Atlantik bekommen, ist nicht umgekehrt, sondern sesshaft geworden. Er hat viele Staub gewischt, ob als Spieler oder Trainer, in Deutschland, im europäischen Ausland. „Spaß gehört dazu, aber trotzdem auch Ernst“, sagt der Mann, der seiner Zeit dabei gewissermaßen vorauseilt.

Gerade geboren und schon mal drei

Als er im Oktober 1974 das Licht der Welt erblickt, ist er gleich mal drei gewesen. Die Angestellten hatten in der Klinik in San Luis, wie es heißt, auf Zuruf eines Helfers fälschlicherweise 1971 als Geburtsjahr vermerkt. „Ich hätte es ändern lassen können, aber es hätte nur viel Geld gekostet“, sagt er und lebt 46 Jahre später nach wie vor ganz gut mit dem Makel auf dem Geburtspapier.

Zeit ist und bleibt dennoch ein kostbares Gut für den früheren Diagonalangreifer. Besonders dann, wenn sie wie in Erfurt begrenzt ist. Bis zum Saisonende gilt der Vertrag mit dem weit herumgekommenen Trainer. An Thüringen hatte er zuvor keinen Gedanken verschwendet.

Nach einem Jahr als Co-Trainer bei Le Cannet in Frankreich, wohin er wie das gesamte Team von Volero Zürich 2018 gewechselt war, und insgesamt neun Jahren im Ausland wollte Ferrer Cutino zwölf Monate zu Hause in Berlin verbringen. Immerhin gut ein halbes Jahr Pause ist daraus geworden, wobei er nicht ganz ohne Volleyball blieb. Bei den Drittliga-Männern von Schöneiche half er, wie er sagt, als Trainer. Bis Erfurt auf die Suche ging.

Der Deutsch-Kubaner sieht in der „Kurzzeitbeschäftigung“ auch eine Chance. Er würde gern in die erste Reihe als Trainer zurück. Unter anderem beim Köpenicker SC und MTV Stuttgart füllte er einst die Rolle aus. Erfurt könnte ein Sprungbrett werden.

"Cutino: Wir nehmen, was wir kriegen können"

Genau 50 Tage bleiben ihm noch. Erfüllt wäre seine Mission, stünden die Schwarz-Weißen am 13. März nach der Partie bei Münster mindestens einen Platz besser als im Moment. „Wir müssen mindestens drei Spiele gewinnen“, sagt Ferrer Cutino. Und Hayden Nichol sowie Mit-Assistent Thomas Bauch ergänzen, dass bei zwei weiteren Erfolgen schon mehr Siege auf dem Tableau stünden als in den vorangegangenen Spielzeiten der Erfurterinnen. Die gute Laune reißt alle mit.

Wobei: Auf Zahlen wollten sich die drei nicht festlegen. „Wir nehmen, was wir kriegen können“, präzisiert Gil Ferrer Cutino und ist guter Dinge. Nicht nur, weil es von Natur aus seine Art zu sein scheint, unbefangen und spielerisch seine Herausforderungen anzunehmen. „Ich hatte von Anfang an ein gutes Gefühl. Es läuft gut. Alle sind sehr diszipliniert, sie wollen hart arbeiten“, lobt er den Einsatz des Teams um Kapitänin Michelle Petter. Und erst recht seine beiden Co‘s.

Mit Anastasiya Grechanaia ist nun auch eine vierte Außenangreiferin hinzugekommen. Viel Potenzial bescheinigt ihr der neue Coach und hebt die positive Einstellung der 24-Jährigen hervor.

Einen genauen Fahrplan für die noch sieben Wochen hat Gil Ferrer Cutino nicht. Training ist die eine Seite. „Was im Spiel passiert, ist aber immer eine andere Sache“, weiß er aus Erfahrung. Der Drittletzte Wiesbaden ist am Donnerstag (20 Uhr) Standortbestimmung und Reifeprüfung zugleich. Zunächst hat der neue Coach großen Wert auf Grundlagen gelegt - was ihn selbst weit jünger machte, als es das Papier von San Luis aussagt.

„Ich fühle mich wie zwanzig“, scherzt er. Fast glaubte er es selbst, wenn nicht die Schulter nach der Medizinball-Einheit gehörig zwickte.