Erfurt/Ruhla. Die Zahl der Neugründungen von Gastronomiebetrieben hat in Thüringen wieder zugenommen - eine Trendwende nach Jahren der Corona-Pandemie. Doch die Aussichten sind trotzdem ungewiss.

Nach dem Einbruch während der Corona-Pandemie hat sich die Zahl der Gaststätten-Neugründungen in Thüringen wieder etwas erholt. "Es gibt wieder Neugründungen - auch wenn es im Vergleich zu den durch Corona verlorenen Betrieben nicht genug ist", erklärt der Geschäftsführer des Hotel- und Gaststättenverbands Dehoga Thüringen, Dirk Ellinger. Viele Unternehmer warteten ab, wie sich die Rahmenbedingungen in den kommenden Monaten entwickelten. Steigende Energiekosten und Personalmangel könnten den leichten Aufwärtstrend wieder zunichte machen.

Aktuell gebe es zwar Anzeichen, dass die Belastungen nicht so schlimm würden wie befürchtet. Viele Betriebe würden geplante Eröffnungen oder Umbauten aber wenn möglich ins nächste Jahr verschieben. Handwerker und Baumaterialien seien schwer zu bekommen, Energiekosten und mögliche neue Corona-Beschränkungen sorgten für Unsicherheit.

Mehr Abmeldungen als Neugründungen

Dem Statistischen Landesamt zufolge war die Zahl der Neugründungen in der Gastronomie in Thüringen 2020 und 2021 deutlich gefallen, zudem hatte es in diesem Zeitraum mehr Abmeldungen als Neugründungen gegeben. Im ersten Halbjahr 2022 hat sich dieser Trend umgekehrt: Es wurden 418 Neugründungen und 404 Abmeldungen registriert. «Derzeit gibt es im Gastgewerbe insgesamt einen positiven Gründungssaldo», fasst Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) zusammen. "Inwieweit daraus wirklich ein langfristiger Trend wird, bleibt noch abzuwarten."

Sehr groß sei aktuell die Zahl der Betriebe, die einen Nachfolger suchten, erklärte Ellinger. Die Corona-Krise habe diesen Trend noch verstärkt. Die weitere Entwicklung hänge stark davon ab, wie erfolgreich sich dieser Prozess gestalte. Teils dauere es bis zu zweieinhalb Jahren, bis eine Übernahme und Weiterführung abgeschlossen sei. "Viele scheuen die öffentliche Suche nach einem Nachfolger, weil negative Auswirkungen auf das laufende Geschäft befürchtet werden." Für den Einstieg als Nachfolger sei der Zeitpunkt günstig: Das Angebot sei groß und der laufende Betrieb könne für die nötige Einnahme-Basis sorgen, während Umbauten und neue Konzepte geplant würden.

Personalmangel ist große Herausforderung

Neueröffnungen gebe es derzeit vor allem bei Kneipen in den großen Städten sowie bei Projekten mit langer Vorausplanung, so Ellinger. Ein Beispiel ist das Hotel "Das Kehrs" auf dem Erfurter Petersberg mit 26 Mitarbeitern, das nach dreieinhalbjähriger Planung im Juli 2021 seine Türen für Gäste öffnete. "Die Frage, ob wir diesen Schritt auch gewagt hätten, wenn wir gewusst hätten, was auf uns zukommt, stellt sich nicht", erklärt Inhaberin Uta Kehr. "Wir müssen da jetzt durch und blicken positiv in die Zukunft." Für die größten Schwierigkeiten sorge aktuell der Personalmangel. Dehoga und das Wirtschaftsministerium sehen darin eine der größten Herausforderungen der Zukunft.

"Wir brauchen positive Signale und klare Perspektiven"

Gerade auf dem Land seien Gaststätten als Anziehungspunkt im Stadt- und Gemeindebild sehr wichtig, erklärt Silke Möller, Sachbereichsleiterin Kultur und Tourismus der Stadt Ruhla. Dort hatte im August eine neue Gaststätte im Stadtzentrum geöffnet, deren Betreiber aber schon nach zwei Monaten das Handtuch warfen. Gastronomie sei gleichermaßen wichtig für die Bevölkerung wie für den Tourismus. "Wir würden uns sehr wünschen, dass dort wieder ein Angebot entsteht."

Ellinger zufolge könne die Politik die künftige Entwicklung entscheidend beeinflussen: "Wir brauchen positive Signale und klare Perspektiven. Viele Gastronomen und Hoteliers stehen derzeit mit dem Rücken zur Wand." Zwischen 2019 und 2020 habe Thüringen fast 600 gastronomische Betriebe verloren. Dabei habe das Land mittel- und langfristig viele Chancen in Gastronomie und Tourismus.

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