Bad Tabarz/Jena/Erfurt. Viele Mitarbeiter aus dem Gastgewerbe haben sich in Thüringen umorientiert. Eine Steakhaus-Kette erklärt ihren Arbeitsvertrag mit 4,20 Euro Stundenlohn.

„Am Burgholz“ ist wieder Bewegung. Seit Dienstag hat Mario Peschke in Bad Tabarz sein zweites Hotel geöffnet. „Zur Post“ war auch während des mehr als siebenmonatigen Lockdowns nie komplett geschlossen – Geschäftsreisende konnten einchecken.

Viele haben die Möglichkeit nicht wahrgenommen und von einem Ansturm kann auch jetzt keine Rede sein. „Für die kommenden Wochen liegt die Auslastung etwa bei 40 Prozent“, sagt Peschke. „Thüringen ist ja relativ spät wieder gestartet, wir haben so den ersten Buchungs-Run verpasst.“

Pandemie hat den Fachkräftemangel verschärft

Obwohl Hotels und Restaurants im Freistaat endlich wieder Gäste fast ohne Einschränkung empfangen können, ist die Stimmung in der Branche nicht sonderlich gut. Die Pandemie hat den Fachkräftemangel nochmals verschärft. Vielerorts fehlt es an Personal.

Weil das Gastgewerbe im Herbst als Erstes seine Türen schließen musste und kürzlich als Letztes wieder öffnen durfte, haben sich unter anderem Köche und Restaurantfachleute andere Jobs gesucht, die teilweise auch besser bezahlt werden. Vor allem der Handel und Logistik-Unternehmen haben entsprechende Abwerbung betrieben, stellt Dirk Ellinger fest, Thüringer Hauptgeschäftsführer des Deutschen Hotel-Und Gaststättenverbandes (Dehoga).

Beschäftigte fänden dort die geregelten Arbeitszeiten und freien Wochenenden besser. Gründe für die abgewanderten Mitarbeiter seien zudem die Kurzarbeit sowie das fehlende Trinkgeld gewesen, sagt er. Räumt aber ein, dass auch die Bezahlung ein Thema sei.

Hoteldirektor Mario Peschke (rechts) weiß, dass der Mindestlohn zu wenig ist, um Fachkräfte zu finden.
Hoteldirektor Mario Peschke (rechts) weiß, dass der Mindestlohn zu wenig ist, um Fachkräfte zu finden. © Claudia Klinger

Mario Peschke wird deutlich: „Mit dem Mindestlohn findet man keine Servicekraft oder keinen Koch, die eine Ausbildung hinter sich haben. Das wäre auch nicht gerechtfertigt.“ Denn Leistung müsse anständig bezahlt werden.

Jens Löbel, Thüringen-Chef der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten NGG, kennt genug Beispiele, bei denen Inhaber und Betreiber sich nicht an tarifliche Absprachen halten oder mit Niedriglohn locken. Dabei benötigt die Branche dringend Personal. Dirk Ellinger spricht von einer „dramatischen Lage“ und fordert: „Wir müssen Auszubildende gewinnen.“ Doch die Gewerkschaft entgegnet, dass junge Leute in anderen Branchen oft bessere Verdienstchancen und mehr Anerkennung erfahren. Mario Peschke hat in den letzten Monaten nur drei seiner 65 Mitarbeiter verloren. Zur Wertschätzung gehöre dabei auch ein anständiger Arbeitsvertrag. Der ist nicht überall üblich.

Basisstundenlohn von 4,20 Euro plus Umsatzbeteiligung

So liegt dieser Zeitung ein Vertrag für ein Restaurant in der Landeshauptstadt vor, in dem trotz Tarifbindung als Stunden-Betrag 4,20 Euro aufgeführt sind. Konfrontiert damit, verweist das Unternehmen Block House darauf, dass „wir allen Servicekräften den Mindestlohn garantieren.“

Der Lohn setze sich dabei zusammen aus einem Basisstundenlohn von 4,20 Euro plus einer persönlichen Umsatzbeteiligung von drei Prozent. Sprecherin Christina Schreiner aus der Zentrale in Hamburg sagt, dass mit diesem Entgelt-Modell die Arbeitnehmer „im Regelfall einen Gesamtstundenlohn erzielen, der deutlich oberhalb des Mindestlohns liegt. Darüber hinaus zahlen wir Sonn- und Feiertagszuschläge und vergüten die Pausenzeiten unserer Mitarbeiter.“ Und sie ergänzt, dass das Unternehmen das Kurzarbeitergeld aufgestockt habe. Zugleich gibt sie zu, dass die Arbeitsverträge künftig anders formuliert werden müssten, die jetzige Variante sei „unglücklich.“

Michaela Jahn vom Hotel und Restaurant „Zur Noll“ in Jena hält auch be den Gästen ein Umdenken für nötig.
Michaela Jahn vom Hotel und Restaurant „Zur Noll“ in Jena hält auch be den Gästen ein Umdenken für nötig. © Gerald Müller

Michaela Jahn, die das Hotel und Restaurant „Zur Noll“ in Jena leitet, hat in den vergangenen Monaten sechs Angestellte verloren, „obwohl wir mehr als Mindestlohn zahlen“. Insofern sei das Speisen-Angebot auch noch nicht so üppig wie sonst, zumal auch Pauschalkräfte fehlen. Mario Peschke will dem Gast hohe Qualität bieten, aber er stellt zur Diskussion, „ob es unbedingt sein muss, dass die Hotelzimmer täglich gereinigt werden müssen, also auch sonntags?“ Insgesamt müsse ein Umdenken in der Branche einsetzen, fordert er.

Kollegin Michaela Jahn pflichtet ihm bei, sagt aber auch, dass das ja angesichts des schlechten Images und des enormen Personalmangels schon länger notwendig sei. Und das Umdenken dürfe dabei auch vor dem Gast nicht halt machen. „Ein Schnitzel für fünf Euro kann sich nicht rechnen.“