Berlin. Einzelhändler, die ihre Waren über den Marktplatz bei Amazon anbieten, haben bislang wenig Rechte. Das wird sich aber jetzt ändern.

Amazon hat sich längst als entscheidender Onlineanbieter im Wirtschaftsleben etabliert. Auf den Seiten des Unternehmens verkauft nicht nur Amazon für rund 120 Milliarden Euro seine Waren, auch unabhängige Anbieter haben auf der Plattform 2018 gut 160 Milliarden Euro umgesetzt. Weltweit tragen sie 58 Prozent zum gesamten Internetumsatz des US-Konzerns bei. Auch in Deutschland sind sie einer der wichtigsten Kanäle für den Einzelhandel.

Dieser Entwicklung trägt das Bundeskartellamt nun Rechnung. Es zwingt Amazon zu einem faireren Verhalten gegenüber den gut 300.000 Händlern, die hierzulande auf den Marktplätzen des Unternehmens ihre Waren anbieten. Denn der Großkonzern kassiert zwar Gebühren dafür, die Angebote aufzunehmen und Bestellungen abzuwickeln . Er wälzt jedoch Kosten und Risiken auf die kleinen Anbieter ab.

Das Bundeskartellamt hatte deshalb 2018 ein Kartellverfahren eingeleitet, an dessen Ende unangenehme Zwangsmaßnahmen gegen den Onlinehändler hätten stehen können. Nun reagiert Amazon jedoch lieber freiwillig und ändert einige seiner Geschäftsbedingungen. „Für die auf den Amazon-Marktplätzen tätigen Händler haben wir mit unserem Verfahren weltweit weitreichende Verbesserungen erwirkt“, so Kartellamtspräsident Andreas Mundt.

Verbesserung für kleine Gewerbetreibende

Gerade für kleine Gewerbetreibende verändert sich nun vieles zum Besseren. Zum Beispiel der Gerichtsstand: Bisher hat sich Amazon vorbehalten, dass alle Klagen in Luxemburg vorgetragen werden müssen – eine riesige Hürde für Geschäftsleute. Ab jetzt sind auch Klagen vor örtlichen Gerichten möglich. Oder die Haftung bei kaputten Produkten: Amazon hat bisher alles auf die Händler abgewälzt. Künftig gelten europäische Standards bei der Aufteilung der Risiken.

Zudem wird das Kündigungsrecht modifiziert. Bisher hatte Amazon ein unbeschränktes Recht zur sofortigen Kündigung und Sperrung der Konten von Händlern – ohne Angaben von Gründen. Künftig gilt bei ordentlichen Kündigungen eine 30-Tage-Frist.

Für Privatkunden ändert sich zunächst nichts, die global gültigen Änderungen betreffen nur das Binnenverhältnis zwischen Amazon und den sogenannten Dritthändlern. Allerdings könnten sie langfristig davon profitieren, dass der Wettbewerb fairer funktioniert. Amazon stand immer wieder in der Kritik, bei Drittanbietern beliebte Produkte in die eigene Palette aufzunehmen und damit andere Händler aus dem Markt zu drängen. Ebenfalls könnten in Zukunft Kundendaten besser geschützt werden – ein Thema, das sowohl beim Kartellamt als auch bei der EU-Kommission im Fokus steht.

EU-Kommission nimmt „Buy Box“ in den Fokus

Der EU-Kommission reichen unterdessen die vom Kartellamt erwirkten Zugeständnisse noch nicht. Sie leitet eigene Ermittlungen ein. Die Brüsseler Kartellwächter wollen unter anderem prüfen, ob der Konzern Daten der Händler nutzt. Konkret wollen sie der Frage nachgehen, ob und wie die Nutzung dieser Daten den Wettbewerb einschränkt und ob Amazon sie nutzt, um Händler in lukrativen Geschäftsbereichen zu verdrängen. Dazu will die Brüsseler Behörde unter anderem die Standardvereinbarungen zwischen Amazon und den anderen Marktplatzhändlern prüfen.

In den Fokus will die EU-Kommission auch die „Buy Box“ nehmen. Mit diesem Kauf-Button können Kunden Produkte von Drittanbietern direkt in ihren Amazon-Einkaufswagen befördern. Die Buy Box zu erhalten, sei für die Händler wichtig, da ein Großteil der Einkäufe über sie getätigt würde.