Thomas Beilner bewertet die aktuelle EZB-Debatte

Am 26. Juli sind an dieser Stelle die aktuellen Entscheidungen der Europäischen Zentralbank (EZB) und insbesondere das neue Transmission Protection Instrument (TPI) beschrieben worden. Hat der EZB-Rat nicht nur die Zinsen erhöht, sondern setzt sich mit dem geldpolitischen Instrument TPI bei Bedarf in die Lage, gezielt Staatsanleihen von unter Druck geratenen Euro-Staaten anzukaufen. Gerade bei hoch verschuldeten Ländern schießen durch Leitzinserhöhungen deren Staatsanleiherenditen (Renditespreads) überproportional in die Höhe, können dadurch die Solvenz eines Staates gefährden und werden von der EZB als ein Hindernis für die Wirkung ihrer Geldpolitik angesehen. TPI soll gezielt die Zinsdifferenzen zwischen den Anleihen der Mitgliedsstaaten glätten.

An diesem Punkt setzt aktuell die heftige Diskussion mit der Frage an, ob die EZB mit TPI ihr Mandat überschreitet. Muss sie doch objektiv bewerten, ob die jeweiligen Zinsaufschläge fundamental gerechtfertigt oder auf Basis reiner Spekulation zustande gekommen sind. Klar sollte sein, dass die Beurteilung von haushaltspolitischen Problemen ebenso wie die Steuerung von Anleiherenditen und Unterstützung verschuldeter Staaten im Euroraum nicht zu den Kernaufgaben der EZB zählen. Dennoch hat sie in den vergangenen Wochen aus fällig gewordenen Anleihen anderer Anleiheprogramme mit über 16 Mrd. Euro Anleihen von Italien, Spanien und Griechenland gekauft und ihre Bestände an deutschen und niederländischen Papieren reduziert. Die Diskussion ist nicht neu. Sie wurde schon einmal geführt, als im Rahmen der Euro-Krise die EZB mit ihrem OMT (Outright Monetary Transaction)-Programm unbegrenzt Staatsanleihenkäufe ankündigte. Dabei war die OMT- „Scharfschaltung“ an ein Hilfsprogramm durch den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) mit wirtschafts- und finanzpolitischen Auflagen für den betroffenen Staat gekoppelt.

Wie ist diese neue Debatte einzuordnen? Es ist die Aufgabe der EZB mit ihrer Geldpolitik die europäische Wirtschaft zu erreichen, um die Preise und Konjunktur zu beeinflussen. Es ist richtig, dass die Aktivierung von TPI eine Vielzahl von Fiskalkriterien an das jeweilige teilnehmende Land voraussetzt und der finale Einsatz durch die EZB erfolgt. Aber es ist eine Gratwanderung. Renditeunterschiede zwischen den Ländern sind Ausdruck für unterschiedliche fundamentale Rahmendaten, die durch die politischen Entscheidungen, Haushalts- und Sozialpolitik bestimmt werden. Sie sollen ein Anreiz für die Disziplinierung, Sanierung der Schuldentragfähigkeit sein und die eigenverantwortliche Umsetzung von notwendigen Reformen im Land bewirken.

Es stellt sich zu Recht die Frage, ob die EZB hier die richtige Institution ist, um dies zu beurteilen. Vielmehr sollte wie bei OMT auch der Einsatz von TPI vorab politisch mehrheitlich gebilligt und an Auflagen geknüpft werden, um die Solidität der Finanzen des jeweiligen Landes zu bescheinigen. Diese Vorgehensweise würde zum einen die aktuelle Debatte entschärfen, zum anderen das Urteil über den möglichen Beginn des Kaufprogramms durch die EZB von Anleihen eines Staates einer anderen Institution überlassen und die Glaubwürdigkeit der EZB in ihrer Geldpolitik sicherstellen. Hoffen wir, dass allein schon die Ankündigung von TPI, notfalls unbegrenzt Staatsanleihen zu kaufen, wieder ein rhetorisches Meisterstück ist, um dieses Instrument nie einsetzen zu müssen und Spekulationen über den Austritt eines hoch verschuldeten Landes mit hohen Renditespreads aus dem Euro-Währungsraum einzudämmen – „Whatever it takes“!

Thomas Beilner ist Honorarprofessor für Finanzmarkttheorie an der Universität Erfurt. Sie erreichen den Autor unter thomas.beilner@uni-erfurt.de.