Thomas Beilner fragt, ob Zentralbanken bankrott gehen können.

Die Schweizerische Nationalbank (SNB) wird für das Jahr 2022 einen Verlust in Höhe von 132 Milliarden Franken ausweisen und keine Ausschüttungen an den Bund, die Kantone und Anteilseigner vornehmen können. In dem Kampf gegen eine unerwünschte Aufwertung des Frankens hat sie einen gewaltigen Devisenbestand angehäuft, diesen in verschiedene Anlageklassen investiert, was zu Verlusten am Bilanzstichtag geführt hat. Der Rekordverlust der SNB lenkt den Blick auf andere Zentralbanken und insbesondere auf die Europäische Zentralbank (EZB). Auch hier drohen jetzt Verluste infolge der Zinswende, um die Inflation in den Griff zu bekommen und auf die Zielmarke von 2 Prozent zu drücken. Steigende Leitzinsen wirken über den Finanzkanal in die gesamte Wirtschaft hinein, aber auch auf eine Notenbank. Vor der Zinswende hat die EZB gigantische Anleihekäufe über die Geschäftsbanken getätigt, um die Wirtschaft in den europäischen Ländern zu stützen und die Hilfspakete in der Coronakrise zu finanzieren. Im Gegenzug haben die Geschäftsbanken von der EZB Zentralbankgeld auf ihrem Notenbankkonto gutgeschrieben bekommen. Auf der einen Seite sind mit den EZB Ankaufprogrammen die Renditen der Anleihen stark gefallen und erbringen im Portefeuille der EZB kaum Zinsen. Auf der anderen Seite muss sie jetzt durch die gestiegenen Leitzinsen den Geschäftsbanken Zinsen auf deren Einlagen zahlen, die über den Anleihezinsen liegen. In der Summe ist dies ein Verlustgeschäft. Muss man sich um die EZB sorgen? Die Nachricht verliert ihren Schrecken, wenn man die ökonomisch technische, rechtliche und institutionelle Seite näher beleuchtet. Ökonomisch technisch betrachtet ist eine Notenbank als „Kreditgeber letzter Instanz“ kein profitorientiertes Unternehmen, kann auch mit einem negativen Eigenkapital und damit einer Überschuldung arbeiten, allerdings nur so lange, wie die Institution und das jeweilige Land das Vertrauen der Investoren genießt. Von der rechtlichen Seite ist es von Bedeutung, ob die Notenbank unabhängig vom Staatseinfluss agieren kann oder der verlängerte Arm einer staatlichen Institution und damit nur Befehlsempfänger ist. Schließlich ist von der institutionellen Seite das Zusammenwirken der Notenbank mit den Geschäftsbanken und den Kapitalmärkten zu betrachten. Eine Notenbank kann nicht illiquide werden, da sie Geld selbst drucken kann. Kauft sie allerdings von Geschäftsbanken Anleihen und schreibt den Gegenwert auf deren Zentralbankkonto gut, werden die Aktiv- und Passivseite der Notenbank verlängert und die Bilanzsumme steigt an. Von Bedeutung ist, wie werthaltige die Qualität der angekauften Wertpapiere ist. Sind diese Aktiva von mangelnder Qualität, bekommt eine Notenbank Probleme an den Devisenmärkten die heimische Währung zu schützen, erleidet einen Vertrauensverlust, was letztlich zu einer höheren Inflation führen kann. Um dann einen Reputationsverlust zu vermeiden und Vertrauen wieder herzustellen, müsste die betroffene Zentralbank vom Staat oder Staatenverbund eine Rekapitalisierung erhalten, die indirekt zu einer Belastung für die Steuerzahler wird. Von diesem Szenario sind wir noch weit entfernt und eine Überschuldung der Zentralbanken ist nicht in Sicht. Jedoch darf die jetzige Entwicklung nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Das Thema dürfte uns noch einige Zeit beschäftigen.

Thomas Beilner ist Honorarprofessor für Finanzmarkttheorie an der Universität Erfurt. Sie erreichen den Autor unter thomas.beilner@uni-erfurt.de.