Wie man als Singer/Songwriter zur stilistischen Offenheit kommt. Christian Werner über das Album „Wallis Bird“.

Unwissenheit kann auch schützen. Ist es nicht manchmal besser, nichts zu wissen? Diese Frage stellt sich Wallis Bird in dem beklemmenden Song „Dress my Skin and become what I’m supposed to“. Wir schreiben das Jahr 2012, und die Musikerin aus Irland ist von einer Wahlheimat zur nächsten gezogen – von London nach Berlin.

Ihr drittes, selbst betiteltes Album ist erschienen, und die sympathische, herzoffene Frau wird einem größeren Publikum bekannt, was vor allem an ein paar öffentlichkeitswirksamen Auftritten liegt, etwa in der musikaffinen ARD-Sendung „Inas Nacht“.

Das Album ist eine Weiterentwicklung von der relativ geradlinigen Rock- und Songwriter-Ausrichtung des Vorgängers „New Boots“. Bird setzt behutsam soundtechnische Neuerungen ein wie das programmierte Keyboard in „Encore“, dem kleinen „Hit“ mit Stotter-Refrain, benutzt neue Stilformen wie im fröhlichen Sixties infizierten „Heartbeating City“, „Feathered Pocket“ wiederum hätte auch der frühen Norah Jones gut gestanden.

Gitarre und Stimme und viele Stile

Die Platte ist in ihrer beginnenden stilistischen Vielfalt eine Blaupause für kommende Veröffentlichungen: Auf eine musikalische Richtung lässt sich Bird künftig nicht mehr so recht festlegen. Das mache Musik für sie sonst nicht mehr interessant, so hat sie das mal begründet. Grundlage bleiben meist Gitarre und Stimme, doch innerhalb dieser Parameter probiert sie sich aus.

Das Cover des Albums „Wallis Bird“.
Das Cover des Albums „Wallis Bird“. © rubyworks

„Ich bin eben kompliziert“, lächelt sie tiefergehende Fragen in Interviews schon mal weg. Wie gesagt, manchmal ist es vielleicht sogar besser, nichts zu wissen. Um etwa neue Musik unvoreingenommener zu hören. Aber Wissen kann eben auch nützlich sein. Für die musikalische Sozialisation etwa, die gemeinhin als Element zur Meinungsbildung unterschätzt wird. Und wenn sich zur Musik auch eine Geschichte (oder mehrere) erzählen lässt, macht das vieles nahbarer.

Birds musikalische Prägung begann bereits mit zwei Jahren, als ihr der Vater eine Gitarre schenkte. Ein Unfall beendete beinahe ihre Karriere, lange bevor sie begonnen hatte: Als Kleinkind geriet ihre linke Hand in einen Rasenmäher, alle Finger wurden abgetrennt, vier konnten die Ärzte wieder annähen. Das hat Auswirkungen auf ihre Art zu musizieren: Sie spielt eine Rechtshändergitarre wie eine Linkshänderin, ohne aber die Saiten umzuspannen.

Ihre Musik kann man fraglos auch ohne diese Informationen genießen. Nichtwissen ist trotzdem keine Option. Denn wie sollte man sonst von diesem Album erfahren?

Reinhören!

Wir haben die Playlist zum Krisen-Modus. Hören Sie unsere Auswahl an Songs für die Heimarbeit, zur Kurzweil oder für andere Ablenkungen in Selbstquarantäne. Die Titel werden mit jeder neuen Folge unserer Kolumne erweitert. Und hier erfahren Sie, warum die Songs ausgewählt wurden.

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