Wenn Phil Collins als Studiomusiker kaum auffällt und man trotzdem ein wichtiges Werk schafft. Christian Werner über das Album „The Seeds of Love“ von Tears for Fears.

Ein Album wie ein Fanal sollte es werden, ein Aufbruch, eine Neuerfindung. Und es wurde ein Wende-, aber eben auch der (vorläufige) Endpunkt. Allein die Zahlen bedeuteten eine Zäsur. Mehr als drei Jahre schrieben und tüftelten Tears for Fears an ihrem dritten Album „The Seeds of Love“, Produzenten, Toningenieure und Gastmusiker gaben sich die Klinke in die Hand, es erschien vier Jahre nach dem Vorgänger und verschlang eine Million Pfund an Produktionskosten.

Roland Orzabal und Curt Smith, die Pole der Band, waren ab Mitte der achtziger Jahre auf nichts weniger als auf der Suche nach einem neuen musikalischen Selbstverständnis und somit nach sich selbst. Mit zwei Alben hatten sie sich als New-Wave-Act in die Charts und in den Soundtrack der achtziger Jahre gespielt.

Während andere Bands des Metiers weiter auf der Welle ritten, wollten sie mit einem guten Dutzend Hits („Shout“, „Everybody wants to rule the World“) im Backkatalog raus aus der Nische und schauen, was mit ihrem Talent sonst noch möglich ist.

Songs werden immer wieder verändert

Die Band probierte sich in unzähligen Sessions; Songs wurden immer wieder erweitert, verändert, geprobt, Soundschichten hinzugefügt, weggenommen und neu abgemischt. Ein disziplinierter Prozess, wie Zeitzeugen berichten, aber auch ein langwieriger und ermüdender. Diese Entwicklung kann man auf den Wiederveröffentlichungen nachhören, die Ende der Woche erscheinen. Es gibt mehrere Editionen mit B-Seiten und Remixes sowie raren Versionen, in der Super-Deluxe-Variante auch mit unveröffentlichten Takes und einem 5.1-Surround-Sound-Mix des gesamten Albums von Steven Wilson.

Das Cover des Albums „The Seeds of Love“ von Tears for Fears.
Das Cover des Albums „The Seeds of Love“ von Tears for Fears. © Mercury/ Universal

Für die Aufnahmen verpflichteten sie gefragte Studiomusiker wie Manu Katche (Schlagzeug) oder Pino Palladino (Bass). Dass Phil Collins auf „Woman in Chains“ trommelt, fällt nicht weiter auf. Sie experimentierten mit Jazz und Blues und holten die bis dahin unbekannte Sängerin Oleta Adams quasi als Mitglied in die Band.

Die erste Single „Sowing the Seeds of Love“ machte mit seinen beatlelesken Wendungen und dem vielschichtigen Arrangement den Wandel deutlich. Teile des Albums erinnern an die ersten Solo-Platten von Sting, der Wille zum musikalischen Bruch und Experiment, das Verlassen des geradlinigen Songwritings ist immanent, auch wenn in der Produktion Ära bedingt vieles zu poliert wirkt.

„The Seeds of Love“ erschien im September 1989, die Achtziger waren fast Geschichte – ebenso die Band. Nach der Tour zum Album trennten sich ihre Wege, Orzabal machte allein weiter – mit abnehmendem Erfolg. In den Nuller-Jahren fanden er und Smith als Gruppe wieder zueinander.

Sie erschufen am Ende ihrer ersten Phase ein Hybrid von einem Album, gewiss, ein Opus Magnum. Der Preis dafür war hoch.

Reinhören!

Wir haben die Playlist zum Krisen-Modus. Hören Sie unsere Auswahl an Songs für die Heimarbeit, zur Kurzweil oder für andere Ablenkungen in Selbstquarantäne. Die Titel werden mit jeder neuen Folge unserer Kolumne erweitert. Und hier erfahren Sie, warum die Songs ausgewählt wurden.

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