Erfurt. Das Erfurter Angermuseum ehrt den Bildhauer und Zeichner Wieland Förster zum 90. Geburtstag mit einer großen Schau.

Den runden Jahrestag beging Wieland Förster bereits am 12. Februar; nun, vom morgigen Sonnabend an, ehrt das Erfurter Angermuseum den Künstler mit einer großen, von Thomas von Taschitzki kuratierten Hommage. Die meisten seiner 58 Skulpturen und Plastiken sind von der Wieland-Förster-Stiftung der Sächsischen Kunstsammlung Dresden entliehen, sämtliche Zeichnungen stammen aus seinem privaten Besitz. Wer mit Muße durch diese sprechende Auswahl von Werken flaniert, findet das Bekenntnishafte – die aufrechte Haltung – eines 90-jährigen Lebensweges darin gespiegelt.

Biografie spielt im Oeuvre des als bildender Künstler und Schriftsteller Doppelbegabten eine elementare Rolle. Als 15-Jähriger wurde Förster in den „Volkssturm“ gezwungen. Er musste 1945 nach den schweren Bombardements seiner Heimatstadt Dresden verkohlte Leichen bergen – so etwas vergisst ein Mensch nie. Und nach der Befreiung saß er, einer niederträchtigen Falschdenunziation wegen, im sowjetischen Speziallager in Bautzen ein. Man entließ den schwer Tuberkulosekranken 1950 vorzeitig – in Erwartung seines vermeintlich nahen Todes.

Wieland Förster anno 2009 in der Skulpturensammlung im Dresdner Zwinger
Wieland Förster anno 2009 in der Skulpturensammlung im Dresdner Zwinger © dpa | Foto: Matthias Hiekel

Ein unangepasster Einzelgänger

Seine Haltung beschreibt Förster in einer der zahlreichen Selbstauskünfte so: „In mir weckte das allen verfügbaren Widerwillen und trieb mich schließlich ins widerständige Sein. (...) Außenseitertum war zu meiner eigentlichen Natur geworden.“ In der DDR wurde er zeitweilig mit Arbeits- und Ausstellungsverbot belegt; erst 1974, in politisch entspannterer Lage, wählte man ihn in die Akademie der Künste, so dass Förster Aufträge für den öffentlichen Raum erhielt – zum Beispiel für eine Plastik vorm Schillermuseum in Weimar. Zwar gelitten, war er gewiss nicht systemkonform. Aber auch kein offen querulantischer Dissident. So erwuchs die Kunst ihm zum Lebensmittel.

Gräue – in kalkulierten Abstufungen – umfängt den Besucher im zweiten Obergeschoss des Angermuseums. Doch sehr bald lernt man diese nüchterne Kargheit zu schätzen, denn hier geht’s ums Grundsätzliche, um die Conditio humana. „Realismus“, sagt Museumsdirektor Kai Uwe Schierz, „hieß für Wieland Förster, sich mit den Martyrien des Menschen zu beschäftigen.“ Am eindringlichsten findet man dieses Motiv in der mindestens mannshohen Bronze „Marsyas – Jahrhundertbilanz“ (1999) umgesetzt, die mit ihrer unförmig schrundigen Oberflächenstruktur prima vista schwer als menschlich identifizierbar sein mag. Förster fand das Motiv in der griechischen Mythologie: Der eifersüchtige Gott Apoll ließ dem armen Satyr, nachdem dieser ihn zum musikalischen Wettstreit herausgefordert hatte und unterlag, bei lebendigem Leibe die Haut abziehen.

Die Würde als letztes Reservat

Bei allen anderen Menschenbildnissen bevorzugt Förster eine „heroische Nacktheit“, um die Universalität des Objekts und die Allgemeingültigkeit seiner Lage zu betonen. Trauer, Introvertiertheit und ein stoisches In-sich-Beharren finden sich in Variationen als vorherrschende Aussagen. Die Bronze „Geschlagener“ zum Beispiel zeigt einen zum eiförmigen Objekt in extremer Embryonalstellung gekrümmten Nackten, dem trotz allen zugefügten Leides die Würde nicht nehmbar war.

Das Oval als Ideal einer dynamischen Grundform übernahm der sächsische Bildhauer vom rumänischen Kollegen Constantin Brancusi – überhaupt liefert seine Existenzialismus-Rezeption einen Schlüssel zum Werk – und führt zu Försters zweitem Großthema: dem Prinzip des Werdens und Wachsens, mitunter Wucherns, das durch das Weibliche, den Eros veranschaulicht wird. – Dass, wie Schierz fürchtet, das Förstersche Werk vom Verschwinden bedroht sei, ist angesichts dieser Schau kaum vorstellbar. Es besitzt gesamtdeutschen, ja europäischen Rang.

Bis 24. Mai, Di-So 10-18 Uhr. Eröffnung am Sonnabend, 22. Februar, 16 Uhr, Katalog (192 S., 25 Euro) in Vorbereitung. www.kunstmuseen.erfurt.de