Erfurt. Das bundesweite Modellprojekt Handwerkergymnasium in Erfurt findet Nachahmer. Die Absolventen sparen bei weiterer Ausbildung nicht nur Zeit sondern auch Geld.

Junge Menschen frühzeitig für eine Karriere im Handwerk zu begeistern – mit diesem Ziel wurde das bundesweit einmalige Pilotprojet „Handwerkergymnasium“ vor drei Jahren in Erfurt gestartet.

Jetzt stehen die ersten Absolventen kurz vor dem Erhalt ihrer Zeugnisse. Am Sonnabend werden die 43 Schülerinnen und Schüler der Walter-Gropius-Schule in Erfurt mit dem Abitur in der Tasche verabschiedet.

Zusätzlich zu ihrem Unterrichtsstoff haben die jungen Frauen und Männer spezielle Schulungen zu Teil III und Teil IV der Meisterprüfung absolviert. Diese beinhalteten mehr als 250 Stunden Betriebswirtschaftslehre und mehr als 110 Stunden Pädagogik und sind Bausteine des Managements und der Ausbilderbefähigung. „Damit sparen sie in einer weiteren Qualifikation sechs Monate Zeit und 3000 Euro ein“, erklärte Lobenstein.

„Mit ihnen ist das Projekt vor drei Jahren erstmals in Deutschland gestartet“, begrüßte gestern der Präsident der Handwerkskammer Erfurt, Stefan Lobenstein, die jungen Leute aus den Pilotklassen des Handwerkergymnasiums im Berufsbildungszentrum der Kammer in Erfurt-Bindersleben. Dort erhielten sie die Urkunden ihrer Zusatzausbildung. Vier von ihnen haben sich bereits für eine Ausbildung im Handwerk entschieden.

Was als Aprilscherz einer Zeitung begann, wurde von Akteuren der Kammer und der Schule aufgegriffen und erfolgreich umgesetzt, so Lobenstein. Bereits ein Jahr später habe die Andreas-Gordon-Schule in Erfurt sich angeschlossen, in Cottbus setze man das Projekt unter anderem Namen um und in Sondershausen sei es in Planung.

Den Absolventen stehen nach dem Abitur alle Türen offen: Sie können sich für eine Ausbildung im Handwerk oder ein Studium entscheiden, nach dem Gesellenbrief den Meistertitel anstreben und einen eigenen Handwerksbetrieb gründen oder einen bestehenden Betrieb übernehmen.

Das Modellprojekt Handwerkergymnasium wurde im Jahr 2016 von der Handwerkskammer Erfurt in Kooperation mit dem Thüringer Bildungsministerium initiiert. „In nur einem Jahr haben wir die notwendigen Regelungen dafür geschaffen“, so Bildungs-Staatssekretärin Gabi Ohler. So etwas dauere normalerweise viel länger. Die berufliche Orientierung gewinne immer mehr an Bedeutung. „Deshalb haben wir sie in der Novelle des Bildungsgesetzes verankert“, so Ohler.

Schulleiter Bernd Finke berichtete über anfängliche Skepsis. „Jetzt steht der vierte Jahrgang in den Startlöchern“, sieht Finke als Erfolgsbeweis.

„Sie werden immer die Ersten bleiben und beim Jubiläum in zehn Jahren wieder eingeladen“, sagte Kammer-Hauptgeschäftsführer Thomas Malcherek.