Erfurt. Jeder kennt sie, so gut wie jeder hat sie: Infektionskrankheiten. Die Bandbreite ist groß. Beim Telefonforum beantworteten drei Thüringer Experten Fragen der Leser.

Beim Tag der Medizin, einem gemeinsamen Projekt der Landesärztekammer und der Kliniken in Thüringen, geht es am heutigen Samstag um das Thema „Infektionskrankheiten“. Deren Bandbreite ist groß, ebenso die Arten und Zahlen der jeweiligen Erreger und Übertragungswege. Der aktuellen Situation entsprechend ging es beim gemeinsamen Telefonforum von Landesärztekammer und dieser Zeitung auch, aber nicht nur um Corona und Covid-19. Die Infektiologen Rainer Lundershausen aus Erfurt und Wolfgang Pfister aus Weimar sowie Mathias Pletz, Direktor des Institutes für Infektionsmedizin und Krankenhaushygiene am Universitätsklinikum Jena, beantworteten zwei Stunden lang die Fragen der Leserinnen und Leser. Nachfolgend eine Auswahl der wichtigsten Themen:

Besteht tatsächlich eine höhere Nebenwirkungsrate bei Verwendung des Impfstoffes der Firma Astrazeneca, und wie erklärt sie sich?

In den Zulassungsstudien für die drei momentan verfügbaren Impfstoffe der Firmen BionTech/Pfizer, Astrazenaca und Moderna waren die Anzahl von lokalen und systemischen Nebenwirkungen sowie deren Ausprägungen weitgehend identisch. Sie entsprachen den Impfreaktionen, die wir auch von anderen Impfungen, beispielsweise der Influenza- oder der Tetanusimpfung, kennen und hielten nur sehr selten länger als zwei Tage an. Die Berichte über häufigere und stärkere Impfreaktionen des Impfstoffes der Firma Astrazeneca sind teilweise auf den Einsatz bei jüngeren Menschen, die eine intensivere Antwort des Immunsystems haben, zurückzuführen. Auch besteht der Eindruck, dass jüngere Menschen „Befindlichkeitsstörungen“ nachhaltiger registrieren als über 80-Jährige.

Stimmt es, dass der Astrazeneca-Impfstoff bei Älteren nicht wirkt?

Das ist nicht richtig. Die Ständige Impfkommission (Stiko) hatte nur beanstandet, dass in der Zulassungsstudie zu wenige Menschen über 65 Jahre eingeschlossen waren. Vor wenigen Tagen wurden die ersten Ergebnisse des Schottischen Impfprogramms publiziert. Hier zeigte sich, dass bereits vier Wochen nach der ersten Dosis von Astrazeneca die Krankenhauseinweisungen durch Covid-19 um 94 Prozent reduziert wurden. In der Gruppe der über 80-Jährigen konnte man ebenfalls einen Rückgang der Krankenhausaufnahmen wegen Covid-19 um 81 Prozent bereits nach der ersten Impfung beobachten. Ich nehme an, dass aufgrund dieser Daten die Ständige Impfkommission die Altersbegrenzung bei Astrazeneca neu beurteilen wird.

Meine Tochter hatte Ende 2020 eine Covid-19-Erkrankung. Wie lange hält ein Schutz nach der Erkrankung, und sollte sie sich trotz der Erkrankung impfen lassen?

Nach bisherigen Daten dauert der Schutz durch Antikörper nach einer Erkrankung etwa sechs bis zwölf Monate. Deshalb gibt es die Empfehlung, sich frühestens sechs Monate nach der Erkrankung wieder impfen zu lassen. Dennoch gibt es kein gesundheitliches Problem, wenn man sich schon früher nach einer Erkrankung impfen lässt.

Es wird immer gesagt, dass man Infektionskrankheiten durch Stärkung des Immunsystems vermeiden kann. Was kann ich denn selbst dafür tun?

Es gibt verschiedene Möglichkeiten. Auf jeden Fall gehören ganz allgemein ausreichend Schlaf, ausgewogene, vitaminreiche Ernährung und Bewegung und der Aufenthalt an der frischen Luft dazu. Aber auch Zufriedenheit mit der persönlichen Situation, sowohl familiär als auch bei der Arbeit, die Vermeidung von Stress und psychische Stabilität sind unter anderem wichtige Punkte hinsichtlich eines funktionierenden Immunsystems. Am besten ist, wenn man diese Möglichkeiten zur Stärkung des Immunsystems noch mit anderen Maßnahmen wie der Vermeidung von Ansteckung unter anderem durch Alltagshygiene – Hände waschen, Masken tragen – und, ganz wichtig, die Wahrnehmung von Schutzimpfungen ergänzt.

Im Zusammenhang mit der Pandemie wird viel über Corona-Schnell- und Selbsttests diskutiert. Was halten Sie davon?

In etlichen Ländern wie beispielsweise Österreich oder in den USA werden die Schnell- beziehungsweise Selbsttests bereits umfangreicher eingesetzt. Insbesondere die Befürchtung, dass sich Menschen in falscher Sicherheit wiegen könnten, ist lange Zeit ein schlagendes Argument dagegen gewesen. Mittlerweile hat sich die Zuverlässigkeit und Händelbarkeit der Selbsttests deutlich verbessert, sodass sie unter anderem bei Öffnungsstrategien derzeit für Schulen und Kindergärten eine wichtige Rolle spielen könnten. Erfahrungen zeigen, dass man durchaus symptomlose Erkrankte aus einer Gruppe herausfischen kann – das Ganze wird ja dann noch nach einem positiven Befund mit einem PCR-Test objektiviert. Insofern können die Selbsttests ein wichtiger Baustein sein, um die Pandemie in den Griff zu bekommen. Allerdings eben auch nur ein Baustein, alle anderen Instrumente wie Abstand halten, Masken, Einhaltung der Hygieneregeln und natürlich zügiges Impfen müssen diese zwingend ergänzen. Regelmäßig eingesetzt können Selbsttests mit dazu beitragen, die Pandemie zu beenden.

Momentan steigen die Corona-Zahlen ja wieder. Kann das nicht daran liegen, dass einfach mehr getestet wird?

Natürlich gibt es einen Zusammenhang zwischen der Zahl der Testungen auf Covid-19 und der Zahl der positiven Befunde – wenn man nicht testet, kann man auch nichts finden. Insofern muss man schon genauer hinschauen! So war in den vergangenen Monaten bei den Laborbefunden zu beobachten, dass insgesamt ab dem Herbst die Positivrate bei den Laborbefunden höher lag als beispielsweise im Frühjahr – quasi ein deutliches Zeichen einer höheren Infektionsrate. Und momentan ganz aktuell können wir bei der Auswertung der Laborbefunde sehen – diese werden ja deutschlandweit erfasst –, dass die Positivrate nicht so stark wie in den Wochen davor sinkt, sondern eher stagniert. Dabei spielt sicher auch eine Rolle, dass mehr und mehr Mutanten wie beispielsweise die britische Corona-Variante eine Rolle spielen.

Warum hört man seit Corona eigentlich so wenig von anderen Infektionskrankheiten – wird da einfach nicht darüber berichtet?

Tatsächlich ist es so, dass die Maßnahmen gegen das Coronavirus mit mehr Hygiene, Abstand halten und weniger Kontakten dazu beigetragen haben, dass andere Infektionskrankheiten in Deutschland deutlich zurückgegangen sind. Kürzlich hat dazu gerade das Robert-Koch-Institut neue Zahlen veröffentlicht: Den drastischsten Einbruch gab es bei Erregern, die sich über die Atemwege verbreiten – bei Masern lag das Minus bei mehr als 80 Prozent und bei Keuchhusten bei mehr als 60 Prozent. Sehr stark gingen auch die Meldezahlen bei Magen-Darm-Erregern zurück wie bei Rota- oder Noroviren. Gleichfalls fiel ja auch die Grippesaison so gut wie aus. Angesichts dieser Befunde ist es sicher überlegenswert, bestimmte momentan eingeübte Maßnahmen wie mehr Hygiene, Abstand oder sogar Masken in die Nach-Corona-Zeit mitzunehmen.

Online-Angebote beim Thüringer Tag der Medizin

  • Thüringer Ärztinnen und Ärzte informieren anlässlich des heutigen Online-Tages der Medizin zu Viren, Bakterien und Co. – die Bandbreite reicht vom Schnupfen über Magen-Darm-Erkrankungen bis zur Lungenentzündung oder eben auch Covid-19 (Corona). Dazu werden heute Videos beteiligter Kliniken freigeschaltet.
  • Um „Viren, Bakterien & Co. – unsere unsichtbaren Begleiter“ geht es im Filmprojekt des SRH-Wald-Klinikums Gera.
  • Einen Online-Vortrag zu „Covid-19 bei Kindern – was wir bisher wissen“ hält Axel Sauerbrey, Chefarzt am Helios Erfurt.
  • Um „Psychische Gesundheit – Wie schütze ich mich vor Infektionskrankheiten?“ geht es im Online-Vortrag von Chefarzt Thomas Vieweg vom Sophien- und Hufeland-Klinikum Weimar.
  • Über „Corona und Hygiene – Vom Erregernachweis über Abstand, Mund-Nase-Schutz, Händehygiene bis hin zur Vorsorge“ spricht Chefärztin Margarete Borg-von Zepelin vom Hufeland-klinikum Bad Langensalza.
  • Am Uniklinikum Jena informieren die Experten Jutta Bleidorn (Allgemeinmedizinerin), Mathias Pletz (Infektiologe) und Thomas Kamradt (Immunologe) in Video-Interviews über Impfungen, das Immunsystem sowie Antibiotika-Mythen.
  • Alle Angebote und Termine finden sich unter: www.tag-der-medizin.de

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