Erfurt. Trotz mehrerer Warnungen in den Vorjahren lassen sich die steigenden Krankenzahlen bei der Thüringer Polizei nicht stoppen.

Lag die Krankenquote vor fünf Jahren noch bei 9,24 Prozent, so erreichte sie vergangenes Jahr mit 10,68 Prozent Rekordniveau. Diese Zahlen teilte das Innenministerium der Thüringer Allgemeinen mit.

Die AOK meldet für ihre Mitglieder im Vorjahr einen Krankenstand von 6,3 Prozent. Laut Ministerium ist das nicht direkt vergleichbar, weil die Datenbasis – beispielsweise die zugrunde liegenden Arbeitstage im Jahr – verschieden seien.

Anfang April waren in Thüringen 708 Beamte „polizeidienstunfähig“ geschrieben. 644 von ihnen konnten aber weiter in der Verwaltung, bei der Auswertung von Statistiken oder beispielsweise im Bereich Datenschutz eingesetzt werden. 160 Polizisten durften nach einer polizeiärztlichen Begutachtung aber keine Dienstwaffe führen, ergänzt ein Behördensprecher.

Damit ist täglich fast das komplette Personal einer Landespolizeiinspektion teilweise oder ganz dienstuntauglich.

„Repräsentative Erkenntnisse zu möglichen Krankheitsursachen liegen nicht vor“, räumt das Ministerium ein und verweist auf das bereits 2010 eingeführte Projekt „Gesundheitsmanagement in der Thüringer Polizei“. Dabei sind chronische und besonders psychische Erkrankungen seit Jahren auf dem Vormarsch. 2010 lag die Krankheitsquote bei der Polizei noch bei 8,8 Prozent.

Das starke Ansteigen psychischer Belastungen als eine der Haupturschen für Erkrankungen konnte vor einem Jahr eine Mitarbeiterbefragung im Auftrag der Gewerkschaft der Polizei (GdP) klar belegen. Das sagten knapp 94 Prozent der Polizisten.

Nicht nur, weil sich das Bedrohungspotenzial gegenüber den Beamten deutlich verstärkt hat, sondern auch, weil interne Arbeitsabläufe und Organisationsstrukturen den Dienst erschweren, fand die Gesundheitswissenschaftlerin Mary Lindner aus Leipzig heraus.

Auf die Frage, was seit Bekanntwerden der Studie passiert sei, verweist das Innenministerium unter anderem darauf, dass ein weiterer Polizeiarzt eingestellt werden soll. Zudem gebe es demnächst einen völlig überarbeiteten Erlass für den Dienstsport.

Thüringens GdP-Chef Kai Christ fordert angesichts der aktuellen Zahlen vor allem die psychologische Betreuung für Thüringer Polizisten deutlich auszubauen. Aus seiner Sicht reichen die beiden derzeit beim polizeiärztlichen Dienst angestellten psychologischen Fachkräfte für die Betreuung der rund 7000 Beschäftigen nicht aus.

Kriseninterventionsteams der Polizei und Polizeipfarrer könnten in Akutsituationen helfen, nicht aber, um Erkrankte wieder an den Dienst heranzuführen, so Kai Christ.

Auch die Ankündigung des Ministeriums, bei der Polizei einen „Lenkungsausschuss“ zum betrieblichen Gesundheitsmanagement einzurichten, werde nicht wirklich helfen, kritisiert der GdP-Chef weiter. Derartige Ausschüsse würden immer dann gebildet, wenn wirkliche Lösungen fehlten, fügt er an.