Eisenberg/Erfurt. Die mögliche Corona-Epidemie rückt ein seit Jahren bestehendes Problem in den Fokus: die viel zu geringe Personalausstattung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes.

Die Ausbreitung des Corona-Virus lenkt den Fokus auf ein Problem, das der Landesverband Thüringen der Ärzte und Zahnärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (ÖGD) seit Jahren thematisiert: die großen personellen Lücken in den Gesundheitsämtern der Landkreise und kreisfreien Städte. Gemessen an der Personalempfehlung des Thüringer Gesundheitsministeriums aus dem Jahr 1994 erfüllt derzeit kein einziges Thüringer Gesundheitsamt die Vorgaben der personellen Ausstattung – und da sind die Aufgabenzuwächse der vergangenen Jahre etwa in der Infektions- und Trinkwasserhygiene noch gar nicht berücksichtigt.

Erst im Frühjahr 2019 hatte der Landesverband Ministerpräsident Bodo Ramelow in einem Brief darauf hingewiesen, dass Ende 2016 rund die Hälfte der Arztstellen in den Gesundheitsämtern nicht besetzt war; bei den Zahnärzten sah es mit nahezu 80 Prozent unbesetzter Stellen sogar noch schlechter aus. Mit dem Unstrut-Hainich-Kreis gibt es zudem erstmals eine Gebietskörperschaft ohne einen Amtsarzt, so dass ein Jurist den ÖGD managen muss.

„Angesichts dieser Daten kann man nur von einer sträflichen Gefährdung der Funktionsfähigkeit des Thüringer ÖGD auf kommunaler Ebene reden“, appellierte der Verband an das Land, unbedingt zu handeln. Zwar habe sich Rot-Rot-Grün anders als die Vorgängerregierungen, die die Stärkung des ÖGD ebenfalls im Koalitionsvertrag verankert hatten, tatsächlich engagiert und Geld für Gehaltszulagen für neu eingestellte Amtsärzte bereitgestellt. Aber das löse nicht das grundsätzliche Problem: die unterschiedlichen Tarifregelungen für Ärzte im ÖGD und in Kliniken.

Konzentration gilt der Epidemie

In der aktuellen Situation hat das zur Folge, dass der ÖGD seine Aufmerksamkeit auf die Eindämmung der Corona-Epidemie richten und dafür wiederum Abstriche bei anderen Aufgaben machen muss. Dazu zählen Hygienekontrollen in Klinikbereichen mit hohem Infektionsrisiko, bei denen der Erfüllungsgrad ohnehin nur bei knapp 35 Prozent (2016) liegt, oder Reihenuntersuchungen bei vierjährigen Kindergartenkindern (24 Prozent). „Wir sind jetzt erst dazu gekommen, unseren Pandemieplan zu aktualisieren“, sagt beispielsweise Bettina Naumann vom Gesundheitsamt des Saale-Holzland-Kreises.

Dabei, so die stellvertretende Vorsitzende des ÖGD-Landesverbandes, müsste das jedes Jahr gemacht werden, um etwa die Kontaktdaten der Ansprechpartner bei Rettungsdiensten, Krankenhäusern, Arztpraxen, Altenheimen, Pflegediensten bis hin zu Bestattungsunternehmen auf dem Laufenden zu halten. Doch in ihrem Landkreis, wo der erste Pandemieplan 2009 im Zusammenhang mit dem Auftreten der Schweinegrippe geschrieben wurde, sei das wegen der personellen Engpässe zuletzt 2015 erfolgt.

Der Plan enthalte unter anderem konkrete Meldevorschriften, die Festlegung von zu impfenden Personengruppen, falls es einen Impfstoff, den aber nicht in ausreichender Menge gibt, und Handlungsempfehlungen für alle Beteiligten.

Naumann ist davon überzeugt, dass es bereits zigtausende Corona-Fälle in der Bundesrepublik gibt und die Epidemie hierzulande einen ähnlichen Verlauf nehmen wird wie in China, wo sie schon wieder am Abklingen ist. „Es ist eine Erkältung – so wie jedes Jahr in der Grippesaison“, beruhigt Bettina Naumann. Sie persönlich sehe die Situation „sehr entspannt“.