Erfurt. Thüringens Landwirte klagen über eine Feldmausplage - und würden am liebsten mit Gift gegen die Tiere vorgehen. Nun scheint der Streit auch das Klima im Regierungskabinett vergiftet zu haben.

Der Streit über den Einsatz von Gift gegen eine Feldmausplage in Thüringen spitzt sich weiter zu. Ein kurzfristig erarbeiteter Entwurf für eine Kabinettsvorlage aus dem Haus von Landwirtschaftsminister Benjamin-Immanuel Hoff (Linke) soll bereits am Dienstag beraten werden. Umweltministerin Anja Siegesmund (Grüne) sagte, dies sei „eine ungewöhnliche Verfahrensweise“. Dem darin skizzierten Vorgehen gegen die Plage werde sie nicht zustimmen, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur.

Sie sei aber bereit, auf Grundlage dieser Kabinettsvorlage über das Thema zu beraten. Ihr Haus habe bereits Vorschläge gemacht, um das Papier aus dem Landwirtschaftsministerium „qualitativ zu verbessern“. Das Klima in der Koalition angesichts des Streits beschrieb Siegesmund so: „Die Qualität einer Koalition bemisst sich daran, dass man Konflikte möglichst intern löst.“

Im Entwurf aus dem Ministerium Hoffs, das der dpa vorliegt, schlägt dieser zur Bewältigung der Feldmausplage vor, so zu verfahren wie in Sachsen-Anhalt. Dort hatte Umwelt- und Landwirtschaftsministerin Claudia Dalbert (Grüne) Landwirten jüngst gestattet, Gift gegen die Mäuse einzusetzen, wenn sie versichern, dass es auf ihren Feldern keine Feldhamster gibt.

Siegesmund: In fünf Jahren keine Feldhamster mehr

Den geplanten Gift-Einsatz müssen die Bauern mit einem Vorlauf von mindestens fünf Werktagen bei den Behörden anzeigen. Außerdem müssen sie dokumentieren, dass sie etwaiges Feldhamstervorkommen überprüft haben. Aus Hoffs Haus heißt es, es sei nicht einzusehen, warum eine Grüne-Politikerin in Thüringen sich einer Lösung des Feldmaus-Problems sperre, die eine Grüne-Politikerin in Sachsen-Anhalt im Interesse des Artenschutzes und der Landwirte mittrage.

Siegesmund dagegen erklärte, sie wisse nicht genau, wie es um die Feldhamster in Sachsen-Anhalt stehe. Sie wisse aber sehr gut, dass das Feldhamstervorkommen in Thüringen um 95 Prozent gegenüber den einstmaligen Beständen gesunken seien. „Wenn wir nicht auf diese aussterbende Art achten, wird es in fünf Jahren keine Feldhamster mehr in Thüringen geben“, sagte sie. Das Gift, das gegen Feldmäuse eingesetzt wird, ist auch für die Hamster tödlich.

Zugleich zeigte sich Siegesmund kompromissbereit. Bisher bestand sie darauf, dass Gutachter vor jedem möglichen Gifteinsatz die entsprechende Fläche untersuchen, um auszuschließen, dass dort Feldhamster leben. Sie sei nun bereit zu akzeptieren, dass dies die Landwirte selbst gemeinsam mit dem Pflanzenschutzdienst des Landesamtes für Landwirtschaft und Ländlichen Raum prüfen, falls kein Gutachter verfügbar sei.

CDU: Rot-Rot-Grün nimmt Ernteverluste der Landwirte in Kauf

Auch nach einer Besprechung der Staatssekretäre der Landesregierung am Montag zur Vorbereitung der Kabinettssitzung war nicht klar, ob sich Landwirtschafts- und Umweltministerium auf einen Kompromiss werden einigen können. Es habe bei der Beratung keine Bewegung aufeinander zu gegeben, hieß es übereinstimmend aus Regierungskreisen. Eine Entscheidung darüber, ob es eine Einigung geben werde, falle damit erst in der Kabinettssitzung selbst.

Die Thüringer CDU-Fraktion macht derweil Druck: „Die Bauern können nicht warten, bis Rot-Rot-Grün sich einig ist. Wir erwarten eine sofortige Entscheidung“, erklärte der CDU-Fraktionsvorsitzende Mario Voigt am Montag. Es sei unverständlich, dass in Thüringen etwas seit Wochen blockiert werde, was in Sachsen-Anhalt längst möglich sei. „Rot-Rot-Grün nimmt bewusst massive Ernteverluste der Thüringer Landwirte in Kauf“, so Voigt.

Nicht nur die Grüne-Landtagsfraktion unterstützt derweil die Position des Umweltministeriums, auch Naturschutzverbände fordern von Siegesmund, nicht gegenüber Hoff einzuknicken. Die Organisationen BUND und Nabu planen nach eigenen Angaben deshalb für Dienstag vor der Staatskanzlei eine gemeinsame Protestaktion. Die letzten Feldhamstervorkommen im Freistaat müssten gesichert werden, heißt es in einer Pressemitteilung der Verbände.

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