Weimar. Die Gedenkstätte Buchenwald untersucht Briefe, die aus dem Nachkriegslager geschmuggelt wurden. Erste Forschungsergebnisse werden bei der Geschichtsmesse in Suhl vorgestellt.

Von Mitte 1945 bis Anfang 1950 nutzte die sowjetische Besatzungsmacht das ehemalige KZ Buchenwald für die Internierung von Deutschen, die als NS-belastet galten. Im „Speziallager Nr 2“ auf dem Ettersberg waren 28.000 Männer und Frauen eingesperrt, über 7000 überlebten nicht. Die Insassen wurden – oft nach Denunziationen – in Wohnungen, bei der Arbeit oder auf der Straße verhaftet. Wo man sie hinbrachte oder wie es ihnen ging, erfuhren die Angehörigen nicht.

Nachrichtensperre und Postverbot waren Teil des Lagerregimes, sagt Julia Landau, Kustodin für das Speziallager in der Gedenkstätte. Untersucht werden jetzt sogenannte Kassiber, heimliche Botschaften, die es dennoch auf versteckten Wegen nach draußen schafften.

Durch Überlassungen und Schenkungen von Überlebenden oder deren Nachfahren sei der Bestand in den letzten Jahren auf 172 Original-Schriftstücke gewachsen. 44 stammen direkt aus Buchenwald, andere von Gefangenen aus Lagern wie Mühlberg oder Jamlitz.

Kassiber eine besonders authentische, weil unmittelbar im Lager verfasste Primärquelle

Gerade erst erhielt die Gedenkstätte ein Konvolut von knapp 20 teils umfangreichen Briefen eines Arztes, der wohl dank seiner Stellung im Lager an Papier und Schreibmöglichkeiten kam. Seine Botschaften gelangten in Marmeladeneimern mit doppeltem Boden durch den Stacheldraht.

Für die Forschung sind die Kassiber eine besonders authentische, weil unmittelbar im Lager verfasste Primärquelle, sagt Landau. Die meisten Botschaften stammen aus den ersten Jahren, bevor die Bewachungen verschärft und die Baracken in Buchenwald zusätzlich mit Stacheldraht eingezäunt wurden. Bei den Entlassungen 1948 wurden die Häftlinge gefilzt, um zu verhindern, dass in die Kleidung eingenähte Notizen geschmuggelt werden.

Autoren schrieben über ihre Lage, die Namen von Mithäftlingen oder baten um warme Socken

Die Autoren schrieben über ihre Lage, die Namen von Mithäftlingen (mit der Bitte, deren Angehörige zu informieren) oder baten um warme Socken. Tatsächlich seien anfangs kleinere Pakete durchgekommen. Erforscht werde nun der biografische Hintergrund der Verfasser sowie der Aussagewert der meist sehr persönlichen Darstellungen für die Lagergeschichtsschreibung. Erwogen wird dazu eine Ausstellung im Weimarer Stadtmuseum.

Erste Ergebnisse stellt die Gedenkstätte bei der 13. Geschichtsmesse der Bundesstiftung Aufarbeitung Ende dieser Woche in Suhl vor. Zum Thema „Neue Heimat, alte Grenzen? Gesellschaft und Transformation in Deutschland seit 1990“ werden rund 300 Vertreter von Aufarbeitungsinitiativen, Gedenkstätten, Geschichtsvereinen und Universitäten erwartet.

13. Geschichtsmesse vom 23. bis 25. 1. im Ringberghotel Suhl