Erfurt. Missbrauchsskandale und mangelnde Reformbereitschaft haben die Institution Kirche viel Vertrauen gekostet. Viele Gläubige sagen, dass „man auch ohne Kirche Christ sein“ könne.

Die Entkirchlichung der Gesellschaft hält an. Das ist das Fazit einer Bertelsmann-Studie. Evangelische und katholische Kirche würden nur noch ein Viertel der Bevölkerung vertreten. Das mindere auch die politische und soziale Legitimation der Kirchen.

Gründe für die Austritte seien wohl Missbrauchsskandale

Der Studie zufolge denkt jedes vierte Kirchenmitglied über einen Austritt aus der Kirche nach. Jedes fünfte äußert eine feste Austrittsabsicht. Bei den 16- bis 24-Jährigen wollen sogar 41 Prozent die Kirche verlassen. Vier von fünf der Austrittswilligen haben das Vertrauen in religiöse Institutionen verloren. Katholiken sind dabei mit zwei Dritteln überproportional vertreten. Gründe seien wohl Missbrauchsskandale und die geringe Reformbereitschaft der römischen Kurie. 71 Prozent halten die Kirchen für zu mächtig, 68 Prozent finden kirchliche Privilegien in einer multireligiösen Gesellschaft ungerecht.

Die Abwendung von den Kirchen bedeutet nicht unbedingt zugleich eine generelle Abwendung von Religion. Laut Studie stimmen 92 Prozent derer, die austreten wollen, der Aussage zu, dass „man auch ohne Kirche Christ sein“ könne. Die Gleichung ‚religiös = kirchlich‘ gelte für sehr viele Menschen nicht mehr.

EKM-Bischof Friedrich Kramer sagte, man sei als vitale und krisenresistente Kirche durch die Pandemie gekommen. „Gleichzeitig beutelt uns, dass Austritte immer selbstverständlicher und wir auch durch Tod immer weniger werden. Dass Menschen uns mögen, aber nicht mehr mit bezahlen wollen, ist ein ganz neues Phänomen“, so Kramer.