Bad Langensalza. Vorführungen in Bad Langensalza für Gymnasiasten. Thema durch Wahl aktueller denn je. Heute wird die Dokumentation öffentlich gezeigt

Anita Lasker-Wallfisch spielt Cello, während im Konzentrationslager Auswitz der Schornstein raucht. „Kinder wurden einfach in den Kamin geworfen“, sagt sie. Das Cello erspart ihr die Gaskammer, denn sie musiziert im Lager-Orchester. Auch ihrer Schwester Renate rettet das Instrument das Leben. Ein Offizier schubst die junge, enorm abgemagerte Frau mit einem Tritt in die rechte Reihe, weil sie ihm sagt, sie sei mit der Cellistin verwandt. Die linke Reihe muss direkt ins Gas marschieren.

Ihr Schicksal erzählen die beiden Schwestern in dem Dokumentarfilm „Wir sind Juden aus Breslau“, der am gestrigen Freitag in zwei Aufführungen den Schülern der neunten bis zwölften Klassen des Salza-Gymnasiums gezeigt worden ist. Möglich gemacht hatten das der Kulturverein Stadtmauerturm, der Förderverein des Gymnasiums und das Burgtheater-Kino in einem Gemeinschaftsprojekt mit Unterstützung der Landeszentrale für politische Bildung. Sie wollten mit der Veranstaltung an die Pogromnacht 1938 erinnern, die den Anfang für die systematische Vernichtung von über sechs Millionen Juden während der Naziherrschaft in Europa bildete.

Der Film, der 2015 gedreht wurde, lässt 14 Zeitzeugen über die Zeit des Holocaust berichten. Sie alle lebten damals in Breslau, das heute Wroclaw heißt. Sie waren jung und freuten sich auf die Zukunft. Doch das Schicksal der Juden, das die 14 Zeitzeugen verbindet, raubte ihnen die Heimat. Sie mussten fliehen oder ins Exil gehen. Einige schafften es, das Konzentrationslager zu überleben.

Auch Regisseur Dirk Szuszies war nach Bad Langensalza gekommen. „Es wäre schön, wenn man sich zurücklehnen und sagen könnte, das ist Geschichte“, sagte der Filmemacher aus Berlin im Burgtheater-Kino.

Doch erst am 8. Oktober gab es in Halle einen Anschlag auf eine Synagoge, und im Sommer war der Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke (CDU) von einem Rechtsextremisten erschossen worden, der als Motiv Äußerungen Lübckes während der Flüchtlingskrise nannte. Und in Thüringen wurde jetzt die Alternative für Deutschland (AfD), die die Zeit des Nationalsozialismus als „Vogelschiss in der Geschichte“ bezeichnet, erstmals bei einer Landtagswahl zweistärkste Kraft.

„Als wir die Veranstaltung geplant haben, haben wir nicht ahnen können, dass das Thema so aktuell werden wird“, berichtete Mary Fischer, die im Kulturverein Stadtmauerturm und im Schul-Förderverein aktiv ist. Sie ist erschrocken über den Wahlerfolg der AfD, die auch im Unstrut-Hainich-Kreis zahlreiche Stimmen gewann. Fischer hat sich mit Menschen unterhalten, die die Partei gewählt haben. „Viele haben die AfD nicht aus Frust gewählt, sondern bewusst und das, obwohl die AfD gegen Ausländer, gegen Feminismus und unsozial ist“, sagte sie nach der Veranstaltung. Das lasse sie sehr nachdenklich werden und bestärke sie, dass sie weiter über die Zeit des Nationalsozialismus informieren wolle. „Denn die Geschichte der Juden ist auch mit unserer Stadt Bad Langensalza verbunden“, sagte sie.

Stolpersteine für Juden in Bad Langensalza

Bis heute gibt es Spuren des jüdischen Lebens in der Kurstadt. Das offenkundigste Zeugnis ist der Weg von der Jüdengasse über das Klagetor zum Jüdenhügel. In der Bergstraße und der Rathausgasse erinnern Stolpersteine an das Schicksal vertriebener Bad Langensalzaer jüdischen Glaubens.

Am heutigen Samstag wird der Dokumentarfilm noch einmal gezeigt – in einer Vorstellung, die öffentlich für alle ist. Auch dabei ist wieder Regisseur Dirk Szuszies. Er bittet, den Film nicht nur mit dem Verstand zu fassen. „Man muss auch das Herz öffnen“, so der Regisseur. Er fühlt sich verpflichtet, das Schicksal der 14 Zeitzeugen weiterzugeben. Vier von ihnen sind inzwischen gestorben.

Vorstellung im Burgtheater beginnt heute um 10 Uhr. Eintritt kostet sieben Euro.