Friedemann Mertin über ständige Verlockungen im Advent.

Ich habe gesündigt. Mehrfach täglich, seit Wochen, in vollen Bewusstsein. Regelmäßig begehe ich Todsünde Nummer Fünf, also die Völlerei. Nach katholischer Lehre verhalte ich mich undankbar gegenüber Gott und der Gabe des Lebens.

Aber die Geburtstagsfeier von Jesus Christus wirft seit Wochen ihre Schatten voraus. Wie soll ein normaler Mensch angesichts von Christstollen, Spekulatius, Pfeffernüssen, gebrannten Mandeln und tonnenweise Marzipan und Schokolade die christliche Tugend der Mäßigung aufrecht erhalten? Ich kann es nicht. Denn Schokolade ist vom Höchsten nicht als Lagerware vorgesehen. Sie gehört stante pede aufgerissen und vertilgt. Wen Schoko-Weihnachtsmänner, Marzipanriegel oder Lebkuchen länger als einen Tag unberührt lassen und wer diese unberührt lässt, der ist mir ein Rätsel.

Und mein Arbeitgeber sowie die lieben Redaktionskollegen machen es mir nicht einfacher. Da verschickt der Verlagschef Tütchen mit Plätzchen und Pralinen (direkt einverleibt). Der Kollege V. wiederum setzt dem ganzen die Krone auf. Er entrümpelt gerade zur Adventszeit seinen heimischen Süßigkeitenschrank, so etwas existiert in meinem Haushalt nicht. Mein Süßigkeitenschrank ist mein Bauch. Und so kam es, dass ich gestern einen Schoko-Osterhasen aß. Hohlkörper ist Hohlkörper, egal ob mit Bart oder Ohren.