Mühlhausen. Der Mühlhäuser Stabhochsprung-Professor betreut Samstag zwei Sportler bei deren deutscher Meisterschaft der Leichtathletik-Senioren.

Der Begriff von einer Chaostruppe fällt. Natürlich nicht abfällig, aber doch schon leicht genervt.

Es ist das letzte Training vor der deutschen Meisterschaft, die an diesem Wochenende mit 1300 Teilnehmern in Leinefelde stattfindet. Die Stabhochspringer Sven Goos und Thomas Levi fangen an, die Abläufe umzustellen. Der eine verkürzt seinen Anlauf, der andere greift zu einem anderen Stab.

Horst Klose ist der Trainer der Beiden. Sie bilden das „Team 190“ – und kokettieren damit mit ihrem Lebensalter: Die beiden Sportler sind jeweils 55, der Trainer seit Mai 80. Seit fast 15 Jahren sind sie ein eingespieltes Team und nun wieder, wie 2016, bei den deutschen Seniorenmeisterschaften in Leinefelde dabei. Damals, vor drei Jahren, waren sie Achter und Neunter.

Die Norm zu springen, das war ein Klacks. Und dennoch sind beide Außenseiter, wenn es in den Kampf um die Medaillen geht. Zehn Männer sind in ihrer Altersklasse für die Meisterschaft gemeldet, die beiden Herren vom Sportverein 1899 Mühlhausen als siebent- und achtbeste. Von den Medaillen trennt sie laut Meldeliste ein halber Meter.

Ehrgeiziger Tüftler an der perfekten Technik

Trotzdem steckt ihr Trainer Horst Klose voller Ehrgeiz. Er fordert viel – von sich selbst und den Sportlern, die er betreut. Er will sie noch einmal dazu befähigen, mit dem Stab die Marke von drei Meter zu überspringen.

Natürlich weiß er darum, dass jeder Zentimeter, den es mehr in die Höhe geht, im Alter um ein Vielfaches schwerer erkämpft ist als in der Jugend. Und dass es immer schwerer wird, Nuancen in der Sprungtechnik zu verändern.

Immer wieder drängen sich die hundertfach geübten Abläufe der vergangenen Jahre in den Köpfen der Sportler in den Vordergrund. „Ich will sie voranbringen, will, dass sie mit Überzeugung tun, was ich ihnen erkläre“, sagt Horst Klose. „Erst wenn mir das gelungen ist, dann werden sie auch wieder drei Meter hoch springen.“

Klose hat Generationen von Stabhochspringern in Mühlhausen und im Unstrut-Hainich-Kreis betreut. Nahezu jeder, der irgendwann einmal einen Zehnkampf bewältigen wollte, zu dem Stabhochspringen gehört, musste bei ihm in die Lehre. Es gab im Landkreis keinen Besseren. Und es gab wohl auch keinen in ganz Thüringen, der sich über Jahrzehnte mit mehr Leidenschaft dieser Disziplin verschrieben hatte.

Der Mühlhäuser Levi, der Landarzt in Horsmar ist, und der Birkunger Finanzbeamte Goos sagen nicht umsonst: „Horst, das ist der Thüringer Stabhochsprung-Professor.“

Seit 1961 ist Klose Leichtathletik-Trainer in Mühlhausen. Früher, als er ein Trainergespann mit Manfred Lange bildete, habe er alle technischen Disziplinen betreut – egal ob im Bereich Wurf/Stoß oder bei den Sprüngen. Zuerst war er bei der HSG aktiv, der Hochschulsportgruppe der pädagogischen Hochschule, dann bei Einheit Mühlhausen, Lok Mühlhausen und nun beim SV 1899.

Seit vielen Jahren ist es jetzt ausschließlich der Stabhochsprung. Der studierte Sportlehrer schwärmt von seinem Meisterschüler, von Philipp Thon aus Pöthen. Vier Meter und 20 Zentimeter ist der jetzt 28-Jährige in den Jahren zwischen 2014 und 2016 stabil gesprungen – besser war kein anderer jemals in einem Mühlhäuser Trikot.

Seit knapp sechs Jahrzehnten Trainer

Seine Sportler beschreiben Horst Klose als zuverlässig und streng, als fordernd, technikaffin, als einen, der immer noch Neues probiert und als vergebend. Er ist ein Exot unter der Leichtathletik-Trainerschaft, einer der wenigen in Thüringen, die sich dem Stabhochsprung widmen. In nahezu allen anderen Vereinen, außer in Sömmerda, wird diese Disziplin nicht mehr betrieben. So fehlen auch in Thüringen die Wettkampfmöglichkeiten.

Trotz allem versucht Klose, seinen Ehrgeiz auf die beiden Männer Levi und Goos zu übertragen. „Ich will sie noch einmal über die drei Meter bringen. So lange ich noch irgendwie ins Stadion oder in die Sporthalle zum Training komme, höre ich nicht auf.“ Er war da, selbst als er eines von seinen mittlerweile vier künstlichen Gelenken implantiert bekommen hatte.

Die Liebe zum Stabhochsprung hatte er mitgebracht vom Sportstudium. Damals musste er, der gelernte Turner, Zehnkämpfe bestreiten. Die Kombination aus Turnen, Sprint und Sprung beim Stabhochsprung gefiel ihm. „Kein anderes Turngerät ist so kompliziert wie der Stab, denn kein anderes Turngerät bewegt sich so. Alle anderen, selbst die Ringe, sind an einer Stelle fixiert.“

Seine „Chaostruppe“ achtet und schätzt ihn so wie er sie. Am liebsten würden die beiden Männer ihm 2021, zum dann 60. Trainerjubiläum, Sprünge über drei Meter schenken.