Stockhausen. Heimatgeschichten: Hübsche Dachbodenfunde und kuriose Geschichten erwarten Besucher in der Heimatstube Stockhausen.

Auf die Frage, ob es ein Museum im Ort gibt, runzelt ein Schuljunge die Stirn, schüttelt den Kopf und antwortet: „Nee, so was gibt’s hier nicht!“ Gibt es doch. Allerdings wird es wohl ein Geheimtipp bleiben, solange man auf jedwedes Hinweisschild verzichtet.

„Die Einheimischen wissen von ihrer Heimatstube im einstigen Hopfenhof und schätzen sie“, versichert Bernd Stichling, ehemaliger Bürgermeister, langjähriger Ortschronist und Hobbysammler, von dem die Initiative einst ausging. Er sorgte auch dafür, dass die zunächst im alten Schulsaal zusammengetragenen Schätze 2016 in das leer stehende Gebäude an der Nessetalstraße einziehen konnten, das erst ein Gasthaus, dann den Konsum beherbergt hat.

„Für kulturgeschichtliche Dokumentationen haben die Stockhäuser schon allerhand gestiftet, und sie kommen auch gern, wenn wieder eine neue Ausstellung zu sehen ist. Sogar Leute, die wegzogen, längst anderswo wohnen, sind dann neugierig.“ Nicht ohne Stolz zeigt Stichling auf eine Schautafel mit Fotos von Kindergartengruppen, die ältesten aus den 1930er und 40er Jahren.

Urkundliche Erwähnung erstmals 1043

Mit „Sommerkindergarten“ ist eines untertitelt. Die Kleinsten wurden vor allem während der Erntezeit in Verwahrung gegeben. Auch der Schule, die es in Stockhausen von 1648 bis 1967 gegeben hat, ist ein Bereich gewidmet: alte Lehrbücher, hölzerne Federkästchen, eine lederne Schulmappe, Tafeln mit der idealen „Schulausgangsschrift“ und alles ergänzt mit Aufnahmen, aus denen Kindergesichter von gestern und vorgestern den Betrachter anblicken.

Ob die heutigen Kinder wohl noch wissen, wozu einst der Dreschflegel diente? Angesichts der bäuerlichen Geräte lässt sich die schweißtreibende Arbeit früherer Bauern zumindest erahnen.
Ob die heutigen Kinder wohl noch wissen, wozu einst der Dreschflegel diente? Angesichts der bäuerlichen Geräte lässt sich die schweißtreibende Arbeit früherer Bauern zumindest erahnen. © Stefanie Krauß

Beim Einrichten ist an systematische Geschichtsdarstellung von der urkundlichen Ersterwähnung 1043 bis zum Heute nie gedacht worden. Vielmehr geht es in der Heimatstube um überschaubare Zeiträume von höchstens drei, vier Generationen, reicht der Fundus längstens ins 19. Jahrhundert.

In diesem oder jenem Exponat die Oma oder den Urgroßvater zu entdecken, macht denn wohl auch den Reiz des kleinen Museums aus, das wie ein fast familiär anmutendes, unterhaltsames Gemeinschaftsgedächtnis wirkt. Die nächsten Vorhaben – die Fußballmannschaften, die Stockhausen seit 1937 auf die Beine stellte, bevor man 2019 mit Großenlupnitz zusammengeht, sowie eine Dokumentation zum früheren Gasthof „Grüne Aue“ mit seinem Wirt Andreas Reinhardt zielen in eben diese Richtung und werden gewiss zahlreiche, hier ansässige Rezipienten anlocken.

Dass jener im Jahre 1866 geborene Andreas Reinhardt gerade getauft werden sollte, als die im Deutschen Krieg kämpfenden Hannoveraner in Stockhausen einmarschierten, ist „kleine Geschichte“ in der großen: Voll Panik waren die Dorfbewohner damals in den nahen Wald geflohen und merkten wohl erst dort, dass sie den kleinen Täufling daheim vergessen hatten. Gottlob fanden sie das Kind bei ihrer Heimkehr unbeschadet in der Wiege, bloß Kuchen, Fleisch und Würste fürs Fest hatten die Soldaten restlos weggeputzt. Unter ähnlichem Stern stand auch Reinhardts Tod im Sommer 1945, als die russische Armee den Ort besetzte, erzählt Bernd Stichling über seinen Urahn, der sich berufshalber ja eher um die feuchtfröhlichen Seiten des Daseins gekümmert hatte. Der zum Reinhardt‘schen Gasthof gehörige Tanzsaal – beide Gebäude sind nach verschiedenster Nutzung noch erhalten – sei reich bemalt gewesen; Stichling hofft, für die geplante Ausstellung zumindest Fotos der einstigen Wandbilder und Trinksprüche ausfindig machen zu können. Allein ist er mit diesen Plänen nicht. Ihm zur Seite steht eine hilfreiche „Chronikgruppe“, das Ehrenamt des Chronisten hat er vor zwei Jahren an Rainer Suck abgegeben.

Auf Dachböden schlummern Schätze

Schaut man sich in der Heimatstube um, scheint an Aus­stellungsstoff kein Mangel: bäuerliche Gerätschaften vom Dreschflegel über die „Muskrücke“ bis zur Butterleier, namentlich gekennzeichnete Mehlsäcke, irdene Töpfe und Krüge, Backtröge, verzierte Kuchenbretter, Zeugnisse des Vereinswesens, Kinderstühlchen und sogar ein Anker-Bausteinkasten, wie er mal in Stockhausen hergestellt worden ist.

Das in einer alten Türfüllung gefundene Futterbrett, datiert auf August 1879, firmiert wohl unter „Kuriositäten“. Vom Zimmerer Heinrich Wiedemann beschriftet, ist die Rede von „sehr schlechten Zeiten“, und er klagt „kein Treu, kein Glauben herrscht nicht mehr“.

Und immer wieder alte Fotografien. Die ehemalige Schmiede, der Schäfer inmitten seiner Herde, Hochzeiten, Taufen, Porträtaufnahmen, teils aus uralten Ateliers und sichtbar retuschiert, teils Schappschüsse, schließlich Gesichter von Soldaten aus beiden Weltkriegen, Ehrentafeln für die Gefallenen.

Der rührigen Chronikgruppe von Stockhausen und ihrem guten Hirten Bernd Stichling wäre etwas mehr Unterstützung und Aufmerksamkeit zu wünschen – auch wenn die Alteingesessenen vielleicht noch immer manchen Dachbodenfund spenden, sich zu bekannt gegebener Zeit in ihrer Heimatstube einfinden und dort voll Interesse umsehen.

Öffnungszeiten: Zweimal jährlich an einem Tag im Mai und im November von 14 bis 17 Uhr oder nach Verein-barung bei Bernd Stichling unter Telefon: 036920/805 83