Eisenach. Zum Eisenacher Neujahrsempfang ging es um Wende, Wandel und Wege. Besondere Gäste waren Lutz Maier-Rehm, Hans-Peter Brodhun und Margot Friedrich.

Wer hätte gedacht, dass Lutz Maier-Rehm, einer der ersten Opel-Vertragshändler nach der Wende im Osten und Initiator der Wiedergründung des Gewerbevereins, eigentlich eine Konzertagentur gründen wollte? Das und noch vieles andere Interessante hörten die Teilnehmer des Neujahrsempfangs, zu dem die Stadt Eisenach und der Gewerbeverein am Dienstagabend ins Landestheater eingeladen hatten.

Lutz Maier-Rehm (links), Unternehmer der ersten Stunde, und Alt-Oberbürgermeister Hans-Peter Brodhun beantworten Fragen von Ruth Breer zum Thema Wende.
Lutz Maier-Rehm (links), Unternehmer der ersten Stunde, und Alt-Oberbürgermeister Hans-Peter Brodhun beantworten Fragen von Ruth Breer zum Thema Wende. © Birgit Schellbach

Es ging um „Wende, Wandel, Wege“. Neben Lutz Maier-Rehm stellte sich Alt-Oberbürgermeister Hans-Peter Brodhun (CDU) den Fragen von Radiomoderatorin Ruth Breer. Brodhun, promovierter Biologe, ist mit der Kommunalwahl 1990 ins politische Amt gekommen. Obwohl er nicht daran geglaubt hatte, gewählt zu werden. Er wähnte eher die SPD als Wahlsieger, weil der Auftritt von Altkanzler Willy Brandt auf dem Eisenacher Markt so bejubelt worden war.

Marburg hat beim Aufbauder Verwaltung geholfen

Er habe, so Brodhun, viel von seinem Amtsvorgänger Joachim Klapczynski (LDPD) gelernt. Gemeinsam sind sie nach Marburg, Eisenachs Partnerstadt gefahren, um sich anzusehen, wie eine bundesdeutsche Verwaltung funktioniert. Der dortige Oberbürgermeister Hanno Drechsler (SPD) habe sofort seine Amtsleiter nach Eisenach geschickt. „Das hat uns unglaublich geholfen“, so Brodhun.

„Es gab Besserwisser aus dem Westen, aber auch viele, die uns wirklich unterstützt haben“, betonte auch Maier-Rehm. Bei seinem ersten Termin in Rüsselsheim habe man ihm den Vertrag vorgelegt, den seinerzeit sein Großvater als Opelhändler abgeschlossen hatte. Dieser datierte auf 1925. „Uns standen allen die Tränen in den Augen“, erinnerte sich Maier-Rehm. Er habe 2000 DM-Mark in der Tasche gehabt, um ein Autohaus zu gründen. Einen Kredit von einer Million Euro habe dann ein Banker in Eschwege „auf dem Gang“ genehmigt. Diesem reichte als Sicherheit der Vertrag als Opel-Händler.

Oberbürgermeisterin Katja Wolf und Jo West, Vorsitzender des Gewerbevereins, gestalten ihre Reden im Dialog miteinander.
Oberbürgermeisterin Katja Wolf und Jo West, Vorsitzender des Gewerbevereins, gestalten ihre Reden im Dialog miteinander. © Norman Meißner

Eisenach-Gutschein als gutesBeispiel für Zusammenarbeit

So viel unbürokratisches Handeln wünschte sich Jo West, Vorsitzender des Gewerbevereins, heute ebenfalls. Wobei er betonte, dass der Verein mit der Stadtverwaltung zusammenarbeitet, weil das Ziel eint, Eisenach „lebens- und liebenswert“ zu machen. Als Beispiel für eine gelungene Kooperation nannte West den Eisenach-Gutschein mit seinen 140 Partnern.

Positiv sieht der Vereinsvorsitzende das „Tor zur Stadt“ mit Fachmarktzentrum, Hotel und Tagungshalle. 6500 Quadratmeter Verkaufsfläche entstehen zurzeit. Damit, so West, könne man gut leben. Im Gegensatz dazu standen anfängliche Pläne für 20.000 Quadratmeter oder eine Mall mit 45 kleinen Geschäften – damit wäre die Innenstadt gestorben. Jo West lobte außerdem, dass die Stadt den Wunsch nach einem Citymanager aufgenommen hat.

Zu den Gästen des Neujahrsempfangs gehören Landtagsabgeordnete und Stadträte ebenso wie Mitglieder von Vereinen und Organisationen und  Bürger.
Zu den Gästen des Neujahrsempfangs gehören Landtagsabgeordnete und Stadträte ebenso wie Mitglieder von Vereinen und Organisationen und Bürger. © Norman Meißner

Oberbürgermeisterin siehtEisenach als „Leuchtturm“

Oberbürgermeisterin Katja Wolf (Linke) erinnerte daran, dass Eisenachs Wirtschaft nach der Wende „einen gewaltigen Umbruch“ hatte überstehen müssen. Inzwischen liege man bei den Industriearbeitsplätzen bundesweit an der Spitze. Die Stadtsanierung ist laut Wolf ebenfalls gelungen. Eisenach sei jüngst in einem Spiegel-Artikel als Freilichtmuseum bezeichnet worden, so pittoresk wird die Stadt von Außenstehenden eingeschätzt. Aber manchmal, so die OB, würden Entwicklungen nicht wie gewünscht laufen, dauern Verhandlungen, fehlen Finanzierungen. Als Beispiele nannte sie das ehemalige Hotel Fürstenhof, das alte FER-Gelände und das Industriedenkmal O1.

Mit Bezug auf die bevorstehende Rückkehr Eisenachs in den Wartburgkreis betonte Wolf, dass diese Kehrtwende „keine Frage des Scheiterns“ gewesen ist: „Wir bleiben selbstbewusst und ein stolzer Leuchtturm in der Region“.

Margot Friedrich und Thomas Levknecht kennen sich aus der Zeit am Runden Tisch in Eisenach.
Margot Friedrich und Thomas Levknecht kennen sich aus der Zeit am Runden Tisch in Eisenach. © Thomas Levknecht

Lesung aus dem Tagebuchvon Margot Friedrich

Annekathrin Schuch-Greiff und Alexander Beisel lasen aus dem Tagebuch „Revolution nach Feierabend“ der Journalistin Margot Friedrich, die darin die Ereignisse der Wende in Eisenach beschreibt. Zu hören war beispielsweise von „Der Anderen Zeitung“, kurz DAZ, die Friedrich mit Mitstreitern herausgegeben und in der Georgenkirche vertrieben hat, vom ersten Tchiboladen und der bis dahin ungewohnten Flut an Wahl-Werbung. Friedrich selber war mit ihrer Tochter zum Neujahrsempfang gekommen.

Die Thüringen Philharmonie Gotha-Eisenach lieferte mit Beethovens 7. Sinfonie eine eindrucksvolle Interpretation. Für Lutz Maier-Rehm war das Anlass, eindrücklich für den Erhalt des Theaters und Orchesters zu plädieren.

Der Spendenerlös, 650 Euro, wird auf das Konto des Wartburgkreises für die Familien der Opfer des schweren Schulbusunglücks in Berka/Hainich eingezahlt.