Gera/Ohrdruf . Die beiden bei Ohrdruf angesiedelten Wölfe dürfen nicht geschossen werden. Das Verwaltungsgericht Gera machte eine Anordnung des Landes Thüringen rückgängig.

Das Verwaltungsgericht Gera hat am Donnerstag einem Eilantrag des Naturschutzbundes Deutschland Landesverband Thüringen (NABU) stattgegeben und die vom Freistaat Thüringen angeordnete sofortige Tötung der Wölfin von Ohrdruf rückgängig gemacht. Darüber informierte das Verwaltungsgericht Gera am Donnerstagabend.

Das ausgewiesene Schutzgebiet „TÜP Ohrdruf-Jonastal“ sei ca. 100 Quadratkilometer groß und erstreckt sich über den Landkreis Gotha und den Ilm-Kreis. Nach der erlassenen Schutzgebietsausweisung haben die im Schutzgebiet ansässigen Wölfe den Status einer „prioritär geschützten Tierart“. In dem Schutzgebiet haben sich zwei Wölfe niedergelassen. Seit 2014 die sogenannte Ohrdrufer Wölfin und seit Mai 2019 ein Wolfsrüde. Weitere in Thüringen dauerhaft ansässige Wölfe sind derzeit nicht bekannt. Die dort ebenfalls ansässigen Wolfshybriden fallen nicht unter diese Regelung.

Die Wölfin hatte im letzten Jahr in erheblichem Umfang Schafe und Ziegen gerissen. Darunter waren selbst solche Tiere, die durch Elektrozäune geschützt wurden, die nach Einschätzung der Behörden als optimalen Wolfsschutz erachtet werden. Das Landesamt für Umwelt, Bergbau und Naturschutz hatte seine Entnahmeentscheidung damit begründet, dass die Wölfin zwar zu einer streng geschützten Tierart gehöre, dass aber auf der Grundlage des Bundesnaturschutzgesetzes im Wege einer artenschutzrechtlichen Ausnahmegenehmigung die Tötung des Tieres gerechtfertigt sei, um Schäfer vor weiteren wirtschaftlichen Schäden zu schützen.

Nach Auffassung des Gerichtes hätte das Landesamt bei seiner Entscheidung nicht nur die artenschutzrechtlichen Vorschriften ins Auge fassen müssen. Vielmehr hätte es vorrangig beachten müssen, dass die Wölfin zu einer Tierart gehöre, die wesentlicher Bestandteil des europäischen Schutzgebietes „TÜP Ohrdruf-Jonastal“ ist und als solche durch die Vorschriften des Bundesnaturschutzgesetzes über den Gebietsschutz besonderen Schutz beanspruchen kann.

Das Gericht hat die Frage offen gelassen, ob für die Wölfin die Gebietsschutzvorschriften des Bundesnaturschutzgesetzes möglicherweise deshalb nicht eingreifen, weil sich die angefochtene Tötungsentscheidung des Landesamts als Maßnahme des „Gebietsmanagements“ darstellt. In dieser Weise hatte das Land argumentiert. Es hatte ausgeführt, dass es letztlich darum gehe, dass die vorhandenen Schäfer im Schutzgebiet verbleiben sollen.

Die Beweidung der Grasflure durch ihre Schafe sei nämlich für das größte Kalk-Halbtrockenrasen-Vorkommen in Thüringen erforderlich, wobei es sich um einen vorrangig geschützten Lebensraumtyp handele.

Die Kammer hat entschieden, dass selbst wenn die Tötungsentscheidung der Wölfin als Maßnahme der unmittelbaren Gebietsverwaltung betrachtet werde, die Behörde nicht aufgeklärt und geprüft habe, ob diese im Hinblick auf den Gebietsschutz auch verhältnismäßig sei.

Möglicherweise sind weniger einschneidende Maßnahmen möglich, die zu einem Ausgleich zwischen der Nutztierhaltung und der Existenz der Wölfe führen. Das Gericht hat in diesem Zusammenhang die Prüfung des durch öffentliche Mittel geförderten Einsatzes höherer Zäune, des umfangreicheren Einsatzes von Schutzhunden und der Installation ortsfester Pferche angesprochen.

Weiterer Wolfshybrid bei Ohrdruf geschossen