Jena. Die Bibliothek der Universität Jena nimmt das Millionen-Euro-Geräte in Betrieb. Objekte aus Sammlungen und Museen werden damit nun digitalisiert.

Der Roboterarm bringt sich geräuschlos in Position, während sich die Glasplatte, auf der ein historischer Globus steht, langsam dreht. Im Hintergrund geht automatisch die LED-Beleuchtung an. Nun beginnt die 100-Megapixel-Kamera ihre Aufnahme: Eine knappe Stunde lang fotografiert sie selbstständig das Objekt, bevor aus einer Punktewolke das komplette 3D-Modell berechnet werden kann. Beeindruckend, wie diese hochmoderne Scantechnik semi-automatisch arbeitet.

Zwei dieser Geräte – eines stationär, aber dennoch transportabel, eines mobil –, die von den Fraunhofer-Instituten IOF Jena und IGD Darmstadt jeweils als Prototypen entwickelt worden sind, wurden für über eine Million Euro für das Digitalisierungszentrum der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek (ThULB) Jena angeschafft und gestern erstmals für die Mitarbeiter der Bibliothek präsentiert. Sie sollen künftig dafür eingesetzt werden, Objekte des kulturellen Erbes zu digitalisieren, dauerhaft zu sichern, sowie der Forschung und Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Finanziert wurde die Technik über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (Efre) und Eigenmittel der Staatskanzlei sowie der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Deutschlandweit ist die 3D-Technik in diesem Umfang bislang einzigartig.

„Damit können auch Sammlungen, die weltweit verstreut sind, virtuell zusammengefasst und erforscht werden“, erklärt Andreas Christoph von der Abteilung Informationsmanagement & Informationssysteme an der ThULB. „Und es gibt im Katastrophenfall wie beispielsweise beim Brand der Anna-Amalia- Bibliothek oder von Notre Dame eine digitale Kopie der Objekte.“

Die beiden promovierten Wissenschaftshistoriker Andreas Christoph und André Karliczek, werden im kommenden halben Jahr die neue Scantechnologie ausgiebig testen und dokumentieren, welches der beiden Geräte für welche Oberflächenstruktur am besten geeignet ist und wie viel Zeit für die Digitalisierung benötigt wird. Zum Jahresende 2019 soll das Gerät dann in den Regelbetrieb gehen. Thüringer Museen könnten dann erste Objekte zum 3D-Scannen nach Jena bringen. Später ist geplant, die Erfassung auch direkt in den Museen vorzunehmen. Die interaktiven Modelle werden dann über das Thüringer Kultur- und Wissensportal „kulthura.de“ Wissenschaftlern und der interessierten Öffentlichkeit zugängig gemacht.

Die neue Technik basiert auf Industrie-Komponenten, die einzeln schon seit über 20 Jahren zum Beispiel in der Automobilherstellung eingesetzt werden, erklärte Andreas Christoph gestern bei der Präsentation der beiden Scanner. Ausgestattet mit weltweit führender Kameratechnik, die eine Datenmenge von bis zu 150 GB pro Scan erzeugt, kann das stationäre Gerät derzeit Objekte von bis zu 50 Zentimetern Durchmesser und 80 Zentimetern Höhe erfassen. Der Roboterarm sei aber durchaus noch erweiterbar, so Andreas Christoph. Aus der „Punktewolke“ werden dann mittels speziell entwickelter Software hochaufgelöste 3D-Modelle mit authentischer Oberflächenwiedergabe berechnet. Anderthalb Jahre hat die Entwicklung dieses vom Fraunhofer-Institut für Graphische Datenverarbeitung (IGD) Darmstadt entwickelten Gerätesystems gedauert. An dieser Technik, die derzeit im Vorserienstatus steckt, dürften deutschlandweit Museen interessiert sein.

Der kommissarische Direktor der ThULB, Michael Lörzer, zeigte sich gestern voller Stolz, dass mit dem Innovationsprojekt „cultur3D“ das umfangreiche Portfolio der Universitäts- und Landesbibliothek wegweisend erweitert wird.