Weimar. Der Stipendiat der Stadt und der ACC-Galerie verbindet äußerst kreativ Philosophie und Sprache miteinander

Die Fortführung der Philosophie auf einem visuellen und für alle erfahrbaren Weg stellt für den Mexikaner Victor del Moral Rivera die Sprache dar. Bei ihm, der erst Philosophie und dann Kunst studiert hat, werden Architekturen zu Worten, Poetik zu Objekten oder Texte zu Landschaften, erläuterte gestern der zweite Stipendiat des diesjährigen Atelierprogrammes der ACC-Galerie und der Stadt Weimar, der seit Juni im Atelierhaus in der Karl-Haußknecht-Straße arbeitet.

Im 25. Jahr seines Bestehens widmet sich das Programm dem Bauhaus-Jubiläum unter einem besonderen Aspekt: „100 Jahre Bauhaus – Von Wörtern und Bildern und Wortbildkunst“. Denn, so erinnerte ACC-Galerist Frank Motz, das Bauhaus wollte nicht nur die Architektur und das Design verändern, sondern auch die Sprache. So forderte Walter Gropius immer wieder die Abschaffung der Groß- und Kleinschreibung ein.

Der erste Weg nach der verspäteten Ankunft in Weimar führte Victor del Moral Rivera, der wie viele Mexikaner ein bekennender Nietzsche-Fan ist, mit Frank Motz nachts in die Humboldtstraße an den letzten Wohnort des Philosophen. Seine Schriften seien sehr bildhaft, betonte der Stipendiat. Eine Verbindung zu Friedrich Nietzsche habe er in Weimar aus mehreren Gründen aufbauen können. Während der Philosoph am Ende aus gesundheitlichen Gründen kaum noch Großes schreiben oder hätte reden können, so sei auch er selbst zunächst in Weimar sprachlos gewesen – der fremden Sprache wegen. Zudem trenne das Nietzsche-Archiv und das Atelierhaus räumlich nur der Friedhof, in dessen unmittelbarer Nachbarschaft zu leben und zu arbeiten für Victor del Moral Rivera zunächst sehr befremdlich war.

Zu seinen Arbeiten in vielen Ländern der Welt zählen Buchstaben-Skulpturen, er schuf eine begehbare Rolle mit einem Text, der keinen Anfang und kein Ende hatte. Im kolumbianischen Medellin stellte er dem Wort „Nada“ (Nichts) an einem monströsen Neubau ein „Todo“ (Alles) in einer Favela gegenüber, sodass man das eine Wort vom Standpunkt des zweiten im Stadtbild sehen konnte.

In Weimar schuf Victor del Moral Rivera eine eigene Interpretation des Hauses Am Horn aus roten und weißen Buchstabenketten, die das gesamte Abc umfassen. Unter seinen Händen kam auch ein Weimar-Buch für Touristen zu neuen Ehren, das den Stipendiaten im Atelierhaus ein erstes Bild von der Stadt vermitteln soll – und meist ungenutzt im Regal lag. Mit unterschiedlich großen Buchstaben – mal vereinzelt, mal wie ein Ornament verbunden, verfremdete er die Fotografien. Darauf basierend kann er sich einen Part für die Stipendiaten-Ausstellung im ACC vorstellen: Einzelne Fotos etwa könnten dann statt im Buch in Bilderrahmen präsentiert werden.

Höhepunkt seines Aufenthaltes bis Ende Oktober wird zweifelsohne die Teilnahme von Victor del Moral Rivera an den Veranstaltungen zum 20-jährigen Bestehen des Nietzsche-Kollegs sowie dem Geburtstag seines einstigen Bewohners werden. Der Stipendiat wird am 11. Oktober zwischen einer öffentlichen Tagung und der abschließenden Party eine Performance im Kolleggebäude oder im benachbarten ehemaligen Sender Weimar geben. Wer den Mexikaner persönlich kennenlernen möchte, der kann ihn darüber hinaus am 17. Oktober ab 20 Uhr bei einem Vortrag in der ACC-Galerie erleben.