Elxleben. Zum Start in die Bundesliga-Saison: Warum ein fast 41-jähriger Freizeitsportler für die beste Rollstuhl-Basketballmannschaft Europas plötzlich so wichtig ist.

Auf einmal rollte ein gewisser Raimund Beginskis wieder über das Spielfeld. Dabei hatte sich der Kapitän der Thuringia Bulls im Sommer nach sieben Jahren eigentlich in Richtung Italien verabschiedet. Doch ein zweiter Blick entlarvte die „Mogelpackung“: In dem Trikot mit der Nummer 6 steckte nicht der, der drauf steht.

Roman Wenzel hatte beim Thuringia-Bulls-Cup in Elxleben den Dress von Beginskis übergezogen, weil das eigene Trikot noch in Arbeit war. Möglich, dass er die Gegner damit ein Stück weit verwirrt hat. Auf jeden Fall holten sich die Bullen souverän den Turniersieg und präsentierten sich für den Auftakt in die Bundesliga-Saison an diesem Samstag in München gut gerüstet.

Das liegt auch an Wenzel. Der bald 41-Jährige, der sonst in der zweiten Mannschaft eher locker seinem Hobby frönt, hilft dem besten Rollstuhl-Basketballteam Europas in einer kniffligen Lage. Weil Jitske Visser nach einer Ellenbogen-OP noch bis Ende Oktober ausfällt, fehlt den Bulls ein sogenannter „Lowpointer“. Das sind Spieler, die wegen ihres hohen Behinderungsgrades mit ei­ner geringen Punktzahl versehen sind. In dem Klassifizierungssystem wird in acht Kategorien un­terschieden: von 4,5 Punkten für Fußgänger, die kaum oder gar nicht behindert sind, bis zu 1,0 (Handicap mit gelähmten Beinen und kaum/keiner Rumpfkontrolle). Insgesamt dürfen die fünf Spieler, die auf dem Feld sind, 14,5 Punkte nicht überschreiten.

„Ohne Roman könnten wir un­sere maximale Stärke gar nicht aufs Feld bringen“, sagt Trainer Michael Engel. Der vom Brustwirbel abwärts gelähmte Wenzel verschafft mit seiner Klassifizierung von 1,0 einerseits dem einzig verbliebenen „Lowpointer“ Karlis Podnieks Verschnaufpausen. Andererseits können an seiner Seite auch die hoch eingestuften Top-Scorer Alex Halouski und Vahid Azad gemeinsam unter dem Korb wirbeln.

Ein Anruf hat gereicht, da war der Routinier zur Stelle: „Es hat mich gefreut und ich hatte Lust, noch mal anzugreifen“, sagt Roman Wenzel. Zweimal pro Woche trainiert er mit den Champi­ons-League-Siegern und musste bereits feststellen: „Das Training ist härter als viele Spiele. Gerade für einen, der von der Couch aus Meiningen kommt.“ Die Pendelei in seine Südthüringer Heimat nimmt er aber gern in Kauf. Und sein Trainer schränkt grinsend ein: „Roman ist ein Mann der ersten Stunde im Thüringer Rollstuhl-Basketball, trainiert unsere Junioren und ist Leistungsträger in der zweiten Mannschaft. Er weiß schon genau, wie es geht – und er beißt sich rein.“

Beim Triple-Sieger hat sich Wenzel auf Anhieb „super integriert“ gefühlt. Seine Aufgaben im Spiel sind klar umrissen: Wurf-Block stellen für die Bulls-Schützen und den Center mit Tempo in die Zone bringen. „Es macht Laune, mit solchen Top-Leuten zu spielen“, verrät die wertvolle Aushilfskraft. „Da will ich mir natürlich keine Blöße geben.“

Nach der Generalprobe in der heimischen Halle wird es nun in München ernst. Die ersten Zähler für den Titelgewinn sollen her. Mit Wenzel. Im eigenen Trikot.