Erfurt. Klaus Neumann, Ehrenpräsident des FC Rot-Weiß Erfurt, über den sieglosen Regionalligastart, fehlende Transparenz und die Vision von der 2. Bundesliga.

Im Fußball-Landespokal hat der FC Rot-Weiß Erfurt mit dem 5:0 beim Verbandsligisten 1. SC Heiligenstadt seine Pflichtaufgabe erfüllt, in der Regionalliga will die Elf um Trainer Thomas Brdaric am Freitag gegen Auerbach den ersten Sieg landen. Über allem schwebt vor allem aber die Frage, wie es wirtschaftlich weitergeht beim einstigen Drittligisten, bei dem der Insolvenzverwalter eine Ausgliederung der Profimannschaft anstrebt. Über die Lage beim Club sprachen wir mit Klaus Neumann, dem Ehrenpräsidenten des FC Rot-Weiß.

Sind Sie enttäuscht vom Regionalliga-Saisonstart mit nur einem Punkt aus drei Spielen?

Wir haben uns das alles anders gewünscht. Da freut sich keiner drüber. Aber man muss der neuen Mannschaft eine Chance geben. Viktoria Berlin, Leipzig und Cottbus waren ja auch starke Gegner. Aus meiner Sicht macht dieser Auftakt gar nichts. Jetzt weiß die Mannschaft wenigstens, wo der Hammer hängt.

Welche positiven Aspekte haben Sie denn in den drei Spielen ausmachen können?

Gegen Leipzig und Cottbus wurde jedes Mal ein Rückstand aufgeholt. Das ist durchaus etwas Positives, was die Spieler mitnehmen können. Man darf nicht vergessen, dass die Mannschaft ja sehr jung ist. Aus meiner Sicht ist Thomas Brdaric genau der richtige Trainer.

Sie sind also generell zufrieden mit dem Trainer?

Ja, was er abgeliefert hat in der vergangenen Saison mit dem fünften Platz, damit bin ich zufrieden. Mit den Ergebnissen zum Saisonstart natürlich nicht. Aber es ist noch nichts passiert.

Der Trainer hat gesagt, er will nun mit seiner Mannschaft das Feld von hinten aufrollen. Was erwarten Sie in den kommenden Spielen?

Na ja, das ist natürlich mutig, wenn er das sagt. Es war von Beginn an klar, dass wir nicht um den Aufstieg mitspielen können. Wenn wir einen Platz unter den besten fünf bis sieben Mannschaften erreichen, können wir unter den gegebenen Bedingungen zufrieden sein.

Die Mannschaft ist aus Ihrer Sicht stark genug dafür?

Es sind vielleicht noch nicht alle Spieler dort, wo sie hinwollen. Aber die Moral und der Biss sind da. Und die quälen sich richtig. Daraus kann man was machen.

Jetzt aber muss in den Heimspielen gegen Auerbach und Meuselwitz geliefert werden …

Das ist richtig. Die Heimspiele musst du gewinnen.

Im vergangenen Jahr gab es zu Hause gegen Auerbach allerdings ein schwaches 0:0, auswärts sogar ein 2:5 …

Wir hatten Pech, dass das Auswärtsspiel ausgefallen ist und erst im April ausgetragen wurde. Im Dezember war die Mannschaft in bestechender Form und hätte normalerweise das Spiel gewonnen.

Der FC Rot-Weiß Erfurt steckt mitten in der Insolvenz, aber von Insolvenzverwalter Volker Reinhardt sind praktisch keine Informationen zu erfahren. Viele Fans stört das. Sie auch?

Die Kritik der Fans ist nicht unberechtigt. Der Verwalter hält sich in der Tat ziemlich bedeckt. Wenn man irgendeinen Betrieb abwickelt, ist das die eine Sache. Bei einer Insolvenz eines Fußballvereins ist das etwas anderes. Ein Fußballverein hat eine Seele. Das ist ein großer Unterschied. Ich denke aber, er hat dazugelernt. Jetzt wünsche ich ihm ein glückliches Händchen bei der Suche nach Sponsoren. Denn genau darum geht es ja, und sonst um nichts anderes.

Die Fans müssen sich keine Sorgen machen?

Doch. Es ist in keiner Weise so, dass wir uns keine Sorgen machen brauchen. Wir kommen ja nur weiter mit frischem Geld. Kredite, wie in der vergangenen Saison, verschaffen uns zwar Luft. Aber die müssen ja trotzdem irgendwann zurückgezahlt werden. Was wir jetzt brauchen, ist eine positive Stimmung für Rot-Weiß zu erzeugen. Das war mal ganz anders. Wenn man wie der FC Rot-Weiß zuletzt nur Negativschlagzeilen produziert, dann ist es schwer, Begeisterung bei den Leuten hervorzurufen.

Sie können die Menschen verstehen, die den FC Rot-Weiß kritisch betrachten?

Ja, das verstehe ich. Aber wenn es Rot-Weiß nicht mehr geben würde, entstünde ein großer Schaden für die Stadt Erfurt. Stellen Sie sich vor, wir hätten in der Landeshauptstadt zwar ein Stadion, aber keine Profimannschaft mehr. Dann wäre der Fußball auf dieser Ebene auf Jahrzehnte tot. Das müssen sich alle vor Augen führen.

Von einem Neubeginn auf unterster Ebene halten Sie also rein gar nichts?

Im Fanrat und Aufsichtsrat wurde so etwas ja diskutiert. Man wollte ganz unten unter dem Namen Turbine Erfurt wieder anfangen. Aber ich habe gesagt: Wir kommen da nie mehr hoch.

Es wurde das Beispiel von RB Leipzig genannt, die auch klein angefangen haben …

Ja, aber da steht ein Unternehmen mit Millionen von Euro auf dem Konto dahinter. Das sind doch ganz andere Voraussetzungen. In Erfurt ist auch die Stadt gefordert. Denn der FC Rot-Weiß ist ein hervorragender Werbeträger.

Sie haben ganz persönlich schon oft dem Verein finanziell unter die Arme gegriffen. Sie würden im Notfall wieder bereitstehen?

Das macht man einmal, zweimal oder dreimal. Aber wenn immer nur die Gleichen finanzielle Hilfe leisten sollen, kann man die Lust daran verlieren.

Nun wurde bekannt, dass der Insolvenzverwalter den Hauptsponsor des Vereins verklagt hat. Ist das nicht, um es vorsichtig zu formulieren, etwas unklug?

So etwas hat es wahrscheinlich im Fußball noch nie gegeben. Dass man nicht mehr miteinander reden kann und zu solchen Mittel greifen muss, kann ich nicht verstehen.

Wann, glauben Sie, präsentiert der Insolvenzverwalter die ersten Investoren?

Man muss ganz ehrlich sein. So lange sich der Insolvenzverwalter nicht öffentlich äußert, denke ich, dann hat er auch niemanden, den er als Investor vorstellen kann.

Wo steht Ihrer Ansicht nach der FC Rot-Weiß Erfurt in fünf Jahren?

Was eine Pflichtübung sein muss, ist die schnelle Rückkehr in die 3. Liga. Und mein Anspruch für die Stadt Erfurt lautet nach wie vor 2. Bundesliga.

In fünf Jahren?

So weit will ich mich nicht aus dem Fenster lehnen. Mir ist schon klar, dass man dafür einen Investor braucht, der ganz genauso mit Erfurt dieses Ziel verfolgt. Und ich weiß, dass das gar nicht so einfach ist. Selbst RB Leipzig hat fünf Jahre gebraucht, um ganz nach oben zu kommen. Und das mit einem riesigen Kapital im Rücken. Erfurt muss zuerst zurück in die 3. Liga, und dann muss eine Stimmung entstehen, dass sich die Menschen mit der Mannschaft identifizieren und wieder gerne ins Steigerwaldstadion kommen. Entscheidend sind aus meiner Sicht allerdings an allen Schaltstellen die richtigen Leute. Wenn du das nicht hast, nützt dir selbst alles Geld der Welt nichts. Denn dann wird das Geld wieder nur verbrannt.

Benefizspiel: SpVgg Geratal – FC Rot-Weiß Erfurt, Dienstag, 18 Uhr, Sportplatz Kickelhähnchen Geschwenda