Doha. Der Jenaer Speerwurf-Olympiasieger Thomas Röhler kritisiert das IOC und die unsichere wirtschaftliche Lage vieler Leistungssportler.

Tausende Athleten liefern der Welt eine kunterbunte Olympia-Show und garantieren Milliarden – doch bei der Vermarktung und auf dem Konto gucken die Protagonisten nach Meinung von Speerwurf-Olympiasieger Thomas Röhler zumeist in die Röhre. „Viele, viele gute Athleten entscheiden sich heute gegen den Sport. Weil: Dieser Einnahmeposten, der ist vom Schnupfen abhängig. Und das darf nicht sein!“, sagte er mit kritischem Blick auf die unsichere finanzielle Lage vieler Asse.

„Wir ackern hier tagtäglich jede Woche mehr als viele Arbeitnehmer, sind aber im Endeffekt immer nur schwebend bezahlt. Wir suchen uns Förderer, ermöglichen die Olympischen Spiele“, schilderte der 28 Jahre alte Jenaer mit Bezug auf das Internationale Olympische Komitee. „Aber die entlohnen uns nicht dafür, die verkaufen uns, am Ende des Tages kommt davon überhaupt nichts bei uns an. Gar nichts. Null“, kritisierte Röhler, für den die Leichtathletik-WM kommenden Samstag mit der Qualifikation beginnt; am Schlusstag kämpfen die Speerwerfer um die Medaillen.

Ein Beispiel liefert der Athletenvertreter des Weltverbandes selbst. 1,6 Millionen Klicks auf YouTube gab es schon von seinem Olympia-Goldwurf in Rio. Röhler meint: „Die haben einen Werbe- und Unterhaltungswert, aber der kommt bei mir nicht an. Der liegt auf dem olympischen Channel. Das ist ein Riesen-Gegenwert, die haben alle mein Gesicht gesehen“, argumentierte der Student für Sport und Wirtschaft. „Das wäre wie ein Arbeitnehmer, der jeden Tag zur Arbeit geht, das aber für Goodwill tut.“

Röhler: „Davon kann ich mir früh leider kein Brötchen kaufen“

Bei den Aktiven komme bestenfalls indirekt etwas an – über die Verbände. Röhler meint: „Aber davon kann ich mir früh leider kein Brötchen kaufen, und davon ist auch meine Wohnung nicht warm.“ Wesentliche Unterstützerin der Athleten in Deutschland ist die Sporthilfe. Nach Angaben des Vorstandsvorsitzenden Michael Ilgner liegt die Unterstützung für die rund 2000 geförderten Athleten bei durchschnittlich 900 Euro, für die nächsten Jahre werden 1200 Euro angestrebt.

Röhlers Forderungen an das IOC? „Erst mal muss es durchsichtig sein, auch international. Punkt zwei wäre: direkte Bezahlung der Athleten!“ Das Problem aus der Sicht Röhlers: „Das Geld des IOC geht an die nationalen Verbände. Das ist die Entschuldigung, warum es nicht an die Athleten geht. Das ist das Totschlag-Argument, da kannst du wenig machen“, meint der Hobby-Fotograf, der sich immer den Blick für das Große und Ganze bewahrt hat.

Damit schließt sich Röhler der Meinung des deutschen Athletensprechers Max Hartung an, der schon seit langem einen Milliarden-Anteil der IOC-Einnahmen als direkte Zuwendung für die Sportler fordert. Er und seine Mitstreiter forderten im vergangenen Jahr konkret eine Ausschüttung von 25 Prozent des Gesamtgewinns, der im Zeitraum von 2013 bis 2016 mit Erlösen von 5,7 Milliarden Dollar beziffert wurde. Das IOC betont hingegen sein Solidarmodell, nach dem 90 Prozent der Einnahmen zur Organisation der Spiele sowie zur Unterstützung der 206 Nationalen Olympischen Komitees flössen.

Nicht jeder Olympionike kassiert Preisgelder

„Das Einfachste bei Olympia wären Preisgelder, das wäre auch super simpel“, so Röhler. „Die Verteilung durch die Verbände ist enorm komplex. Dieser Trichter ‚Athletenförderung‘ – der kann doch auch ein Stück gefüllt werden von dem Topf Olympische Spiele. Das ist nun mal der größte Wert.“

Nicht jeder Olympionike kassiert Preisgelder, das weiß auch Röhler, Formkrisen, persönliche Probleme oder Verletzungen können Karrieren außerdem schnell stoppen. Und wer kann schon in die Zukunft gucken, was Job, Ausbildung, Schule und Studium betrifft? Deshalb fordert der 93,90-m-Speerwerfer: „Es muss ein zweites Modell geben. Weil die Finanzierung im nächsten Olympia-Zyklus, vier oder acht Jahre, ja gesichert werden muss.“ Oder anders ins Bild gesetzt: „Das wäre so, als wenn ich in eine Mehl-Mühle investiere, aber zugleich sage: Getreidefelder brauchen wir nicht mehr.“