Erfurt. Ein Leser fragt – und die Fachpolitiker aller Fraktionen im Landtag geben Auskunft.

Ist es eigentlich fair und sozial, dass Fördermittel etwa für Neuinvestitionen in erster Linie an jene Kommunen vergeben werden, die den entsprechende Eigenanteil aufbringen können? Mit dieser Frage hat sich ein Leser an diese Zeitung gewandt – und wir haben die zuständigen Fachpolitiker im Landtag dazu befragt. Hier die Antworten im Wortlaut:

Ralf Kalich (Linke).
Ralf Kalich (Linke). © Peter Hagen

Ralf Kalich, Linke: „Die Problematik des aufzubringenden Eigenanteils im Zusammenhang mit der Beanspruchung von Fördermitteln ist in der Tat für finanzschwache Kommunen ein großes Problem. Die rot-rot-grüne Koalition hat darauf im Zusammenhang mit den beschlossenen kommunalen Hilfspaketen der letzten Jahre reagiert. Damit die finanzschwachen Kommunen in Thüringen die bis zum 31. Dezember 2020 vom Bund zur Verfügung gestellten Finanzhilfen in Höhe von knapp 72 Millionen Euro zur Verbesserung der Schulinfrastruktur finanzschwacher Kommunen in Anspruch nehmen können, erfolgt die erforderliche Kofinanzierung der Mittel in Höhe von acht Millionen Euro durch das Land.

Die Finanzschwäche vieler Kommunen in Thüringen und dadurch fehlende Leistungskraft hängt im Übrigen auch mit der Kleinteiligkeit der Gemeindestrukturen zusammen. Deshalb hat die rot-rot-grüne Koalition den Prozess freiwilliger Gemeindezusammenschlüsse mit dem Ziel der Schaffung leistungsstarker Gemeindestrukturen in den letzten Jahren mit umfangreichen Fusions- und Strukturbeihilfen gefördert. Dieser Prozess muss in der kommenden Legislaturperiode konsequent fortgeführt werden.“

Frank Warnecke (SPD).
Frank Warnecke (SPD). © Sascha Fromm

Frank Warnecke, SPD: „Wir sind grundsätzlich bestrebt, die Fördermittelkriterien so zu gestalten, dass möglichst viele Gemeinden diese auch nutzen können. Die Vergabe von Fördermitteln richtet sich jedoch nicht allein nach den Kriterien des Landes. Vielmehr sind dem Land bei seiner Fördermittelpolitik durch Vorgaben des Bundes und der Europäischen Union enge Grenzen gesetzt. Darüber hinaus stattet das Land die Kommunen über den kommunalen Finanzausgleich mit Geld aus und die Kommunen verfügen über eigene Möglichkeiten der Einnahmeerhebung.

Zusätzlich übernimmt das Land für die Kommunen mitunter die Eigenanteile bei Bundes- oder EU-Förderprogrammen direkt, beispielsweise beim Kommunalinvestitionsförderungsgesetz des Bundes von 2015 bis 2018. Bei anderen Förderprogrammen, u.a. dem Breitbandausbau, beläuft sich der kommunale Eigenanteil auf gerade einmal 10 Prozent der Gesamtsumme. Gemessen an dem 100-prozentigem Vorteil, der der Kommune anschließend durch die neue Infrastruktur zur Verfügung steht, ist der eingebrachte Eigenanteil aus unserer Sicht vertretbar. Es gehört zur kommunalen Selbstverwaltung, über die Mittel weitgehend eigenständig zu entscheiden.

Wolfgang Fiedler (CDU).
Wolfgang Fiedler (CDU). © Andrea Fricke

Wolfgang Fiedler, CDU:„Das angesprochene Problem betrifft hauptsächlich den ländlichen Raum. Man muss das Thema zudem differenziert betrachten: Es gibt Kommunen, die sind durch Selbstverschulden in Schieflagen gekommen. Darüber kann das Land nicht hinwegsehen. Es gibt aber auch Kommunen, die sind ins Negative geraten, ohne selbst schuld zu sein. Und in diesen Fällen muss man genau sehen, wie man das ausgleicht. Es gibt den Landesausgleichsstock, der unter bestimmten Bedingungen greift – und so beim Aufstocken der Fördermittel hilft. Das kann bis 100 Prozent gehen. Dieses Vorgehen halte ich im Prinzip für richtig, aber es muss in diesen Fällen gerecht zugehen. Manchmal drängt sich mir da ein anderer Eindruck auf.“

Mehr Unterstützung für schwache Kommunen

Dies beinhaltet auch die Verantwortung, diese so einzusetzen, dass Investitionen ermöglicht werden. Wenn eine Gemeinde dazu strukturell nicht mehr in der Lage ist, ist sie gut beraten, sich im Rahmen der freiwilligen Gemeindegebietsreform Partner zu suchen, wie dies in dieser Wahlperiode über 300 Gemeinden in Thüringen getan haben. Dadurch wird die Finanzkraft der Gemeinden gebündelt, so dass auch wieder größere Investitionen möglich sind. Insgesamt lassen wir natürlich auch finanzschwächere Kommunen nicht allein, sondern bieten allen gute Möglichkeiten, um Förderungen zu erhalten. Dabei sind die zum Teil vergleichsweise niedrig angesetzten Eigenanteile auch eine Überprüfung der Investitionen (also eingesetzte Fördermittel) auf Nachhaltigkeit und ist damit gleichzeitig eine Motivation für Kommunen diese Investitionen sinnvoll einzusetzen.“

Olaf Müller (Bündnis 90 / Die Grünen).
Olaf Müller (Bündnis 90 / Die Grünen). © Sascha Fromm

Olaf Müller, Grüne:„Der Landeshaushalt beinhaltet verschiedene Bereiche, neben Maßnahmen zur Integration von Langzeitarbeitslosen, dem kommunalen Finanzausgleich auch diverse Förderprogramme wie beispielsweise Schulbau- und Klimaschutzprogramme, die ausschließlich den Gemeinden, Städten und Kreisen zugute kommen. Darüber hinaus aber auch Förderprogramme die zur Schaffung von Steuereinnahmen und Beschäftigung beitragen.

Insgesamt glaube ich, dass wir einen ausgewogenen Haushalt haben, der auch schwache Kommunen gut unterstützt. Darüber hinaus haben wir uns stets dafür eingesetzt, das auch die finanzschwachen Kommunen von Förderprogrammen profitieren. Beispielsweise haben wir im ‚Thüringer Gesetz für kommunale Investitionen zur Förderung der Bildung, Digitalisierung, Kultur, Umwelt sowie der sozialen Infrastruktur‘ in jedem Paragraphen einen Passus eingefügt, der es finanzschwachen Kommunen ermöglicht, die Fördergelder als Eigenmittel für andere Förderprogramme heranzuziehen. Ohne eine solche Finanzierungsmöglichkeit wären die Fördermittel tatsächlich nur an Kommunen verteilt worden, die finanziell bessergestellt sind.

Im Absatz 2 der jeweiligen Paragraphen heißt es: ‚Die Mittel können den Kommunen auch als Eigenmittelersatz bei Förderprogrammen des Bundes und des Landes gewährt werden.‘ Das gilt etwa im Rahmen von Kitabau, Kultur, Breitband, Brandschutz.“

Jörg Henke (AfD)
Jörg Henke (AfD) © AfD

Jörg Henke, AfD: „Das Problem ist nicht grundsätzlich die Fördermittelpolitik. Das Problem ist die allgemein zu schwache finanzielle Ausstattung der Kommunen, so dass gerade ärmere Städte häufig den Eigenanteil nicht aufbringen können. Wir fordern daher auch dringend höhere Schlüsselzuweisungen für Kommunen aus dem allgemeinen Steueraufkommen, insbesondere für Kommunen im ländlichen Raum. Leider hat die Regierungskoalition dies bei der vorangegangenen Haushaltsaufstellung nicht ausreichend berücksichtigt und die Anträge der AfD, die für eine bessere finanzielle Ausstattung der Kommunen gesorgt hätte, abgelehnt.“