Erfurt. Das Bild vom irgendwo „geparkten“ Lehrer, der auf Anruf rausfährt wie die Feuerwehr, weil irgendwo der Schnupfen wütet, ist falsch.

Oft ist von einer Vertretungsreserve die Rede, wenn es darum geht, fehlende Lehrer zu ersetzen, um den Stundenausfall an Schulen zu minimieren. Aber was genau verbirgt sich dahinter? Wir haben im Bildungsministerium nachgefragt.

Warum ist eine Vertretungsreserve nötig?

In Thüringen hat in den letzten 30 Jahren die Schülerzahl stark geschwankt. Die demografischen Ursachen sind bekannt. Derzeit steigt sie – übrigens entgegen mancher Prognosen von vor mehreren Jahren. Die Zahl der Lehrerstellen lässt sich jedoch nicht in diesen Geschwindigkeiten anpassen. Daher hat Thüringen traditionell keine so enge Kopplung von Lehrerbedarf und Lehrerstellen, wie sie im Stellenplan des Landeshaushalts abgebildet sind. Es gab jahrelang in der Gesamtsumme Überhänge.

Trotz steigender Schülerzahl sollen aber Stellen abgebaut werden. Ist das ein Problem?

Der Stellenabbaupfad der Landesregierung ist der zweite Grund, warum nicht frühzeitig auf genügend Planstellen für den Unterrichtsbedarf umgestellt wurde. Zusätzliche Bedarfe der Schulen wurden immer offensichtlicher, und der Landtag hat als Haushaltsgesetzgeber mit befristeten Einstellungsermächtigungen gegengesteuert, die aber außerhalb des Stellenplans laufen und somit nicht gegen den Stellenabbaupfad verstießen. Diese befristeten Lehrerinnen und Lehrer bilden derzeit die sogenannte Vertretungsreserve.

Befristete Stellen sind nicht sonderlich attraktiv, oder?

Ziel des Ministeriums ist es, davon weg und zu einer Vertretungsreserve aus unbefristeten Lehrerinnen und Lehrern zu kommen. Es geht dabei darum, Lehrkräfte, die befristet vertreten werden müssen – längere Krankheit, Elternzeit, zusammengezogene Anteile, wo Leute befristet auf Teilzeit gegangen sind – mit unbefristet Eingestellten vertreten zu können. Die Unterrichtsversorgung sollte immer um einige Prozent über 100 Prozent liegen, um diese Effekte ausgleichen zu können.

Warten diese Reservisten etwa zu Hause auf ihren Einsatz?

Natürlich nicht. Das Bild vom irgendwo „geparkten“ Lehrer, der auf Anruf rausfährt wie die Feuerwehr, weil irgendwo der Schnupfen wütet, ist falsch. In Zeiten allgemeinen Lehrermangels ist es zudem nicht nur falsch sondern auch noch unrealistischer als ohnehin schon.

Aber was machen die Pädagogen, wenn sie nicht als Vertretungsreserve arbeiten?

In der Umsetzung heißt das, dass einige Kolleginnen und Kollegen für ein Cluster von Schulen tätig sind, statt nur für eine Dienststelle/Schule tätig zu sein, von der sie, gedacht als Ausnahme in besonderen Fällen, im besonderen Fall an andere Schulen abgeordnet werden können. Das heißt, die Lehrkräfte warten nicht in irgendeinem Warteraum, bis irgendwo Bedarf entsteht, sondern sorgen auch sonst für Unterricht an den Schulen.

Wie muss man sich so ein Cluster vorstellen?

Ein Cluster kann etwa eine kleine geografische Region oder zwei oder mehr konkrete Schulen sein, und der Einsatz muss für möglichst längere Zeitblöcke, etwa Halbjahre, und möglichst wenige Standorte stattfinden, um pädagogisch wie arbeitsbelastungsmäßig möglichst sinnvoll zu sein. Fällt morgen für einen Tag Mathe aus, ist es nicht automatisch die beste Lösung, dann für einen Tag einen Mathelehrer abzuordnen, der aber nicht weiß, was die Schüler wissen, und mehr Bereitschafts- als Unterrichtszeit hat. In so einem Fall kann es sogar besser sein, wenn die Horterzieherin einspringt und da ist, wenn die Schüler die Arbeitsblätter des erkrankten Mathekollegen bearbeiten.

Wie groß ist die Vertretungsreserve?

Im aktuellen Haushaltsjahr hat das Ministerium ein befristetes Einstellungskontingent von etwa 700 Vollzeitstellen. „Etwa“, da der Haushaltsplan keine konkreten Stellen vorsieht, sondern Summen pro Schulart, die sogenannten „Beschäftigungsentgelte für Vertretungs- und Aushilfskräfte“. 900 Stellen sind die Verhandlungsmasse bei den noch laufenden Haushaltsverhandlungen.