Erfurt. Erst geht alles schief, dann wird es der größte Erfolg von Paul McCartney und seinen Wings. Christian Werner über das Album „Band on the Run“, das zum 50. wiederveröffentlicht wird.
Die Sterne stehen schlecht für Paul McCartneys fünftes Album nach dem Ende der Beatles: Kurz vor der Abreise nach Lagos, Nigeria, wo die Wings„Band on the Run“ aufnehmen wollen, steigen Gitarrist Henry McCullough und Schlagzeuger Denny Seiwell aus. McCartneys Band ist nur noch ein Trio: Er, seine Frau Linda und der treue Denny Laine.
Und es wird nicht besser: Das Studio in Lagos ist eine Blechhütte, die afrikanischen Musiker verdächtigen den Ex-Beatle der, heute wurde man sagen, kulturellen Aneignung. Die McCartneys werden außerdem Opfer eines Raubüberfalls, die Ganoven erbeuten auch die Demos für das Album – McCartney muss aus der Erinnerung alle Songs rekapitulieren. Zu allem Unglück bricht der Musiker im Studio auch noch zusammen, angeblich ist es nur ein Bronchialkrampf.
„Band on the Run“ wird meistverkaufte Studio-LP des Jahres
Und doch wird „Band on the Run“, 1974 veröffentlicht, ein Triumph: Das Album wirft mehrere Hit-Singles ab, wie der als dreiteilige Suite angelegte Titelsong oder „Jet“, die Platte geht in den USA sowie in Großbritannien auf Nummer eins und wird in mehreren Ländern die meistverkaufte Studio-LP des Jahres. Auch von Kritikern gibt es endlich die lang erkämpfte Anerkennung. Das Cover mit einer nachgestellten Fluchtszene durch die Band und derzeit angesagten Promis wie die Schauspieler Christopher Lee oder James Coburn hat inzwischen einen ähnlichen ikonischen Status wie das „Sgt. Pepper“-Cover der Beatles.
Während der Aufnahmen ist ein wichtiger Mann immer an McCartney Seite: Der gute Bekannte und Toningenieur Geoff Emmerick, früher die rechte Hand von Beatles-Produzent George Martin. Emmerick prägt den Sound des Albums maßgeblich – unter den schwierigen Bedingungen in Afrika, als auch später in den Londoner Air-Studios.
Archiv-Schatz: Das Album in einem verschollenen Mix
Er fertigt Ende 1973 sogenannte Rough Mixes der Songs an, Abmischungen ohne Overdubs, also ohne zusätzliche Einspielungen wie Orchester oder Gitarren. Diese Versionen, bisher unveröffentlicht und nun Underdubbed-Mixe genannt, sind die Bonus-Tracks der aktuellen Wiederveröffentlichung zum 50. Geburtstag von „Band on the Run“.
50 Jahre „Band on the Run“ von Paul McCartney & Wings
Die Neuauflage des Albums erscheint auch mit dem zusätzlichen Song „Helen Wheels“, der im Original nur auf der US-Version des Albums veröffentlicht wurde, und in verschiedenen Editionen: als Einzel- (bei Amazon* oder JPC*) und Doppelvinyl, beide als Half Speed Master, sowie als Doppel-CD (bei Amazon* oder JPC*) und in digitalen Formaten. Die Doppel-Ausgaben haben als Bonus die Underdubbed-Mixe, die klanglich ohne die Großformat-Produktion zwar gewöhnungsbedürftig, aber für Fans der Wings-Harmoniegesänge eine Offenbarung sind. Denn ohne die soundtechnische Politur ist erstmals der berühmte Stimmaufbau des Trios klanglich erkundbar wie noch nie zuvor.
Auch so manche für den endgültigen Mix herausgeschnittene Tonspur erklingt nun: In „Picasso‘s last Words“ etwa intoniert die Band kurz Harry Belafontes „Day-O (Banana Boat Song)“. Alle physischen Formate kommen mit Postern, die eine Zusammenstellung von Linda McCartneys Polaroids von den Aufnahmesessions zeigen.
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