Weimar. Was man beim „Jedermann“ in Weimar erwarten darf und wie fit „Kani“ noch ist

Sie lieben das Unfertige, Improvisierte, den Kontrollverlust, lieber Herr Thieme. Was darf man diesbezüglich beim Weimarer „Jedermann“ erwarten?

Goethe sagt im „Faust“: „Alles Vergängliche ist nur ein Gleichnis; / Das Unzulängliche, hier wird’s Ereignis.“ Unsere Unzulänglichkeiten sollte der Regisseur zulassen. Man denkt immer, alles muss perfekt und blitzsauber sein, nach deutschem Reinheitsgebot. Nein. Ich habe Ihnen die Geschichte vom Kollegen Josef Bierbichler erzählt, wo mitten in einem Ein-Personen-Stück sein Handy, das er vergessen hat auszuschalten, in der Hosentasche klingelt. Er nimmt den Anruf an und sagt in seinem bayerischen Dialekt: „Hallo, hier ist der Sepp. Nein, ich kann jetzt nicht, ich steh grad auf der Schaubühne, ich ruf dich zurück. Tschüss.“ Die Leute haben getobt.

Sie bringen mich da auf eine Idee.

Bitte. Bitte bringen Sie Ideen ein!

Ich schlage vor, Sie nehmen Ihr Handy mit auf die Bühne, und ich rufe Sie während der Premiere an. Sie könnten sich mit „Hier ist der Tod. Was kann ich für Sie tun?“ melden, und ich sage: „Verschaffen Sie sich Respekt in Weimar!“

Das ist gut. Das ist wirklich gut. Wollten wir nicht schon mal was zusammen machen, was dann geplatzt ist?

Wir wollten den „Othello“ am Theater Erfurt inszenieren. Mit Jimmy Hartwig in der Hauptrolle, noch unter einem Intendanten, der jetzt nicht mehr zur Verfügung steht.

Ach, dieser nette Schweizer. Der hat sich wohl in die Nesseln gesetzt, um mal ein ganz altes Bild zu gebrauchen.

Nesseln? Die mutige Gleichstellungsbeauftragte von Erfurt, die von der Stadt gefeuert wurde, hat es anders formuliert. Das externe Gutachten gibt ihr Recht und bescheinigt Fälle von verbaler sexueller Übergriffigkeit und Machtmissbrauch. Leider wird es vom Oberbürgermeister noch immer unter Verschluss gehalten.

Dann wollen wir es auch nicht weiter kommentieren. Wir werden einen Teufel tun, uns in ein laufendes Verfahren einzumischen.

Hoffen wir mal, dass es läuft. Aber wir tun einen Teufel und mischen uns in den „Jedermann“ ein. Wenn ich Sie so höre, könnte es eine tolle Inszenierung werden!

Der Regisseur und die Schauspieler, gerade weil sie nicht vom Stadttheater kommen, brennen vor Leidenschaft. Wichtiger als Perfektion ist, dass wir die Zuschauer mitreißen. Erinnern Sie sich noch an die Ausstrahlung des Weimarer „Baal“? Mit Blixa Bargeld, Jimmy Hartwig, Kani …

… und Ben Becker. Die Vorstellungen am Deutschen Nationaltheater waren ausverkauft.

Die Inszenierung war Stadtgespräch. Es wäre schön, wenn wir das wieder schaffen würden.

Apropos Kani: Das Weimarer Rock-Urgestein wird im Mai 80 und macht immer noch Rock’n’Roll.

Ich könnte ihn dem Regisseur vorschlagen. In der Tischgesellschaft werden viele gebraucht. Da könnten auch Sie mitmachen.

Und wer schreibt dann den Verriss?

Lieber Herr Quilitzsch, wechseln Sie doch mal die Perspektive! Ich verspreche Ihnen, Ihnen werden Augen und Ohren aufgehen.

Weimar, 12. und 13. Juli sowie 18. bis 20. Juli 2024, Weimarhallenpark