Elmar Otto zu Koalitionsoptionen.

Es war Ende September vor fünf Jahren. Die damalige CDU-Vorsitzende und Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht versuchte, ein paar Tage nach der Landtagswahl, die Chancen für ein schwarz-rotes Bündnis auszuloten.

Ja, man glaubt es mittlerweile kaum noch: Zu dieser Zeit wäre ein – wenn auch knappes – Zweierbündnis möglich gewesen.

Um die Sozialdemokraten auf ihre Seite zu ziehen, entschuldigt sich Lieberknecht damals zunächst für den rauen Ton im Wahlkampf: „Es sind auch Verletzungen passiert, wo ich persönlich sage: Es tut mir leid. Das war nicht beabsichtigt“, betont sie.

Steigbügelhalter einer Viererkoalition

Auch wenn Lieberknecht den Fraktionsvorsitzenden Mike Mohring nicht erwähnt, ist klar, dass nicht zuletzt er seinerzeit dazu beigetragen hat, dass es um das politische Klima nicht zum Besten bestellt ist. Weil die Grünen sich Gesprächen mit der Union verschließen, kommt es am Ende aber zum ersten rot-rot-grünen Bündnis unter Führung eines linken Ministerpräsidenten in Deutschland.

Wenn nach der jüngsten Landtagswahl jetzt über neue Bündnisse im Freistaat nachgedacht wird, sollte nicht vergessen werden: Die Verletzungen von einst wirken nach, teilweise sind neue hinzugekommen. Daher werden SPD und Grüne einen Teufel tun, sich zum Steigbügelhalter einer Viererkoalition mit CDU und FDP machen zu lassen. Zu Recht.

Immerhin wäre das nur eine Minderheitsregierung, die im Zweifel von der AfD unterstützt würde. Mit der will bekanntlich keiner etwas zu tun haben. Und das nicht nur weil der Rechtsausleger Björn Höcke dort den Ton angibt.

Es könnte sein Meisterstück sein

Deshalb, warum nicht einmal mutig sein? 30 Jahre nach dem Mauerfall sollte die Linke nicht immer noch als schmuddelige SED-Nachfolgerin stigmatisiert werden.

Politik ist die Kunst des Machbaren und lebt von Kompromissen. Hätte Mohring zuvor nicht einen irritierenden Schlingerkurs hingelegt, wäre auch alles viel einfacher.

In einem Bündnis mit der Linken könnte er beweisen, dass er Thüringen sozial gerecht und dennoch progressivkonservativ voranbringt. Es könnte sein Meisterstück sein, um nach fünf Jahren als Vize, Regierungschef werden zu können – wenn sich bei der Linken die Frage des ungeklärten Generationswechsels nach Bodo Ramelow stellt.

In der Tat müsste Mohring für dieses Modell Überzeugungsarbeit in Partei und Fraktion leisten. Aber das würde Ramelow und der Linken-Chefin Susanne Hennig-Wellsow nicht anders ergehen. Wer das Land an erster Stelle sieht, darf sich nicht von parteitaktischen und persönlichen Interessen leiten lassen. Und in Mohrings Umfeld gibt es durchaus Menschen, die keine Angst davor haben, mit Sozialisten zu reden und sich eine Koalition vorstellen können.

Kleine Erinnerung

Klar ist, wenn es um stabile Verhältnisse im Interesse des Landes geht, müssen CDU und/oder FDP über ihren Schatten springen.

Beide müssen für sich entscheiden, ob sie lieber in der Regierung ein Land gestalten wollen oder ihnen die Oppositionsrolle reicht. Kleine Erinnerung: „Opposition ist Mist“ – meinte zumindest SPD-Mann Franz Müntefering. Und eine tolerierte rot-rot-grüne Koalition würde CDU und FDP zwar quasi mitregieren lassen, wäre aber weder Fisch noch Fleisch.

Doch weil CDU-Chef Mohring gegen Parteitagsbeschlüsse verstoßen würde und der Liberalen-Vorsitzende Thomas Kemmerich erklären müsste, warum er nun doch mit einer Partei zusammenarbeiten kann, die eine andere Gesellschaft will, wird es wohl weder zu Schwarz-Dunkelrot noch R2G2 kommen. Schade eigentlich.

Landeskorrespondent Elmar Otto erreichen Sie unter e.otto@tlz.de