Elmar Otto über Astropolitik.

Unter seinem Namen hat Mario Voigt bei Twitter als Erstes „Spitzenkandidat der CDU Thüringen“ stehen. Diesen ehrenvollen Titel hat der Vorsitzende der zweitgrößten Oppositionskraft mit einem Emoji versehen, das eine kleine abhebende Rakete mit Feuerschweif zeigt. Das sieht drollig aus und soll natürlich sinnbildlich das Durchstarten der leidgeprüften Partei darstellen.

Doch „Captain Kirk“ Voigt, der sich auf den Weg machte, mit seiner Mannschaft in ferne und vor allem neue Galaxien der Wählergunst vorzudringen, die bis dahin kein Mensch zuvor gesehen hatte, droht die Bruchlandung. Und schon hören wir den wackeren Raumfahrer am Rande der freistaatlichen Milchstraße einen Notruf absetzen: „Houston, …“, oder wohl besser „Erfurt, wir haben ein Problem“.

Konkret geht es darum, dass sich Demoskopen ungefähr genauso sehr um die parteipolitischen Ziele der Thüringer Union scheren, wie einst die spitzohrigen Vulkanier mit ihrem einhändigen Nervengriff ums Wohlergehen der Menschheit. Prompt sehen sich Voigt und sein Co-Kapitän im Landesverband, Christian Hirte, einer Mannschaft gegenüber, die in Teilen eine Revolte plant und den Wahltermin im September am liebsten gen Jupiter schießen würde.

In die gleiche Richtung hätten viele Liberale vor einigen Monaten gerne noch Thomas Kemmerich gewünscht. Doch der einstige Bruchpilot mit Ministerpräsidenten-Expertise und Alternativantrieb hat sich und seine Freidemokraten stabilisiert. Wie es zurzeit aussieht, könnten sie erneut den Sprung ins Parlament schaffen. Selbst die seriösesten Sternendeuter hätten darauf bis vor Kurzem nicht gewettet.

Die Christdemokraten katapultiert die aktuelle Insa-Umfrage quasi aus der Umlaufbahn. Sie landen vor allem aufgrund unglücklicher Konjunktionen zwischen Coronamaskenbeschaffern und Bundestagsmandatsträgern bei nur 19 Prozent. Damit verhält sich die Linke als aktuell stärkste Kraft zur einstigen Thüringenpartei in etwa so wie die Stickstoffatmosphäre in der Wolkenobergrenze des Saturnmondes Titan zur irdischen Lufthülle. Denn die hat am Boden bekanntlich den anderthalbfachen Druck.

Weniger astrophysikalisch formuliert: Die Verfechter des demokratischen Sozialismus kommen auf 30 Prozent. Können damit aber auch nicht glücklich sein. Zumal ihre beiden rot-grünen Trabanten weiter schwerelos bei neun beziehungsweise acht Prozent rumtrudeln. Und die AfD sich im 20-Prozent-Plus-Orbit bewegt.

Commander der Koalitionsraumkapsel ist mutmaßlich ein gewisser Bodo Ramelow. Der macht auf der Kabinettsbrücke allerdings eine immer unglücklichere Figur. So ein Pandemiemanagement zerrt in etwa genauso stark an den Nerven wie die Gravitation des Mondes an der Erdmaterie. Wobei durch Letztere immerhin die Gezeiten entstehen.

Innerhalb der Landesregierung scheinen die Abläufe dagegen unberechenbar. Die Vorstellungen der drei ungleichen Regierungspartner liegen mittlerweile Lichtjahre auseinander.