Elmar Otto über politische Reputation.

Avanti Dilettanti. Zwei Wörter, die das politische Geschehen der vergangenen Tage wohl am besten zusammenfassen.

Für manche reicht inzwischen sogar ein einzelner Buchstabe. Und das kam so.

Bereits am Donnerstag vergangener Woche griff Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff zum Mobiltelefon und wollte twittern. Aber gerade, als er anfing zu schreiben, bekam der Unionsmann einen Anruf von seiner Sozialministerin Petra Grimm-Benne. Während des Telefonats mit der Sozialdemokratin ließ Haseloff das soziale Netzwerk geöffnet, und offenbar mit seinem Ohr tippte er aus Versehen den Buchstaben „Ä“ und schickte ihn (wahrscheinlich auch mit dem Ohr) ab.

Die Resonanz auf die inhaltlich wertvolle Nachricht war überwältigend. Stand Freitagnachmittag gefiel das einsilbige Gezwitscher mehr als 15.800 Nutzern, gut 3200 verbreiteten den Tweet weiter, rund knapp 1200 gaben auch noch einen Kommentar dazu ab.

Wenn man bedenkt, dass Haseloff ansonsten oftmals Likes im zweistelligen Bereich erhält, wird er seine Kommunikation für die Zukunft möglicherweise überdenken.

Ganz davon abgesehen, kann man in so ein Ä jede Menge hineininterpretieren. Die Einschätzungen reichten von der neuen Coronastrategie der CDU bis zur Analyse der politischen Lage.

Thüringens ungekröntem Twitterkönig Bodo Ramelow, der immerhin fünfmal so viele Follower hat wie Haseloff, blieb der Überraschungserfolg seines Amtskollegen nicht verborgen. Vielleicht griff er deshalb während der jüngsten Ministerpräsidentenkonferenz mit Bundeskanzlerin Angela Merkel zum Handy und tippte gleich
279-mal Ä ins Handy. Mehr als 19.200 Likes sammelte der Linke ein und betonte seine „pure Solidarität“ mit Haseloff. Und zwar weil der wie Ramelow stundenlang und geduldig im virtuellen Verhandlungsraum verharrte, während sich die Kanzlerin mit anderen zurückgezogen hatte, um die neuesten Corona-Coup auszubaldowern.

Nach dem Ergebnis, das am Ende herauskam und als „Gründonnerstagsdebakel“ in die Geschichtsbücher eingehen könnte, hatte man den Eindruck, Merkel sei nun auch dem Candy-Crush-Fieber erlegen. Aber damit sorgt bekanntlich vor allem Ramelow für erhöhte Temperatur. Und zwar vor allem beim Wähler.

Eigentlich wären dadurch die Glanzstunden politischen Handelns bis an die Schmerzgrenze ausgereizt und das Ansehen in die Entscheidungsträger von Bund und Land ausreichend ramponiert. Aber die Betonung liegt auf – genau – „eigentlich“.

Denn allem Anschein nach ist Mark Hauptmann doch mehr windiger Geschäfts- als parlamentarischer Ehrenmann. Kaum zu glauben, wie viel Zeit ein 36-Jähriger neben dem Mandat aufbringen kann, um die Vermittlung von Corona-Schutzmasken zu einem lukrativen Geschäftsmodell auszubauen.

Der Südthüringer ist seit Freitag nicht mehr Mitglied der CDU. Aber der Schaden, den er angerichtet hat, für die eigene Partei und die Reputation der Politiker insgesamt, ist riesig.

Dann lieber jede Menge Äs und ein paar Runden Candy Crush.