Elmar Otto zur Ministerpräsidentenwahl.

Opposition und Koalition im Landtag sowie die weite Welt der Rechtsgelehrten streiten darüber, ob ein Ministerpräsident auch mit mehr Nein- als Ja-Stimmen gewählt werden kann. Das wäre aus der Sicht der einen im dritten Wahlgang durchaus möglich, die anderen halten das für abwegig.

Die Motive sind auf beiden Seiten nachvollziehbar: Während Rot-Rot-Grün trotz abhandengekommener Mehrheit (vier Stimmen fehlen) ein Interesse daran hat, dass Bodo Ramelow erneut Ministerpräsident wird, wollen CDU, FDP und AfD genau das verhindern. Wobei Unionisten und Liberale (für den juristischen Laien nachvollziehbar) argumentieren, dass selbst ein Vereinsvorsitzender mehr Ja- als Nein-Stimmen brauche, um ins Amt zu kommen.

Dass in der Thüringer Verfassung steht, im dritten Wahlgang sei gewählt, „wer die meisten Stimmen erhält“, macht das Ganze nicht besser. Denn ohne Gegenkandidat hätte ein Bewerber ja auch mit einer Stimme (im Zweifel der eigenen) das nötige Votum.

Soweit die Theorie. In der Praxis ist das Problem nicht neu. Bereits 2009 sah sich die Christdemokratin Christine Lieberknecht damit konfrontiert, dass es schwer werden könnte, zur Ministerpräsidentin gewählt zu werden: Auch wenn die Koalitionäre CDU und SPD eine Mehrheit von 48 der damals 88 Abgeordneten stellen. Geschlossen waren die Reihen waren nicht. Zumal Linke, SPD und Grüne ebenso ein Bündnis hätten bilden können, sich nur nicht darauf einigen konnten.

Seinerzeit kam es, wie es kommen musste: Zweimal erreichte Lieberknecht nicht die absolute Mehrheit und fiel als einzige Kandidatin durch. Interessant dabei: Niemand in der Union kam vor gut zehn Jahren auf die Idee, das Prozedere im jetzt anstehenden dritten Wahlgang anzuzweifeln.

Aber um erst gar keine Diskussionen aufkommen zu lassen, sprang Lieberknecht der linke Oppositionsführer zur Seite. Wohlwissend, dass er keine Chance hatte zu gewinnen, trat Ramelow an und verhalf der Unionsfrau rechtssicher ins Amt.

Aus staatspolitischer Verantwortung könnte sich die CDU dieses Mal doch eigentlich revanchieren. Damit das Ergebnis unanfechtbar wird, wäre es nur logisch, dass Fraktionschef Mike Mohring seinen Hut in den Ring wirft. Und wenn es nicht gerade zu einem Gleichstand käme, wäre alles klar.

Nun gut, eine kleine Gefahr bestünde für Mohring: Sollte er wider Erwarten zum Regierungschef gewählt werden, könnte er sich darüber nicht freuen. Dann hätte ihn nämlich die AfD ins Amt gehievt. Und das wäre zumindest in Thüringen Mohrings politisches Ende.

Weil die CDU sich jedoch nicht traut, taktiert oder was auch immer, hat AfD-Chef Björn Höcke angekündigt, einen Kandidaten aufzustellen. Nur selbst ins Rennen gehen will Höcke nicht, weil er weiß, dass so weit rechts außerhalb der eigenen Fraktion kaum Stimmen zu holen sind.

Gleichwohl, Höcke agiert damit wie einst Ramelow, der Lieberknecht stützte. Denn ein AfD-Gegenkandidat würde dem linken Regierungschef mit großer Wahrscheinlichkeit ins Amt verhelfen.

Es gibt Dinge, die kann man sich nicht ausdenken.

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