Elmar Otto über Bundestagsambitionen.

Früher hieß es: Hast Du einen Opa, schick ihn nach Europa. Damit wurde besonders despektierlich zum Ausdruck gebracht, welche Wertschätzung das EU-Parlament und seine Abgeordneten in den Augen vieler Bürger hatten. Dort saßen altgediente, aber eben auch für das Tagesgeschäft aussortierte Politikveteranen, die gut besoldet nicht mehr viel im eigenen Land kaputtmachen konnten.

Wir kennen keinen vergleichbaren Reim auf den Bundestag. Aber auch der wird mittlerweile gerne als Zufluchtsort genutzt, wenn es in der Heimat nicht mehr richtig rund läuft.

Jüngster Aspirant für ein Büro mit Spreeblick: Verfassungsschutzpräsident Stephan Kramer.

Dass der Sozialdemokrat mit Rauschebart ein neues Betätigungsfeld sucht, kommt so überraschend nicht. Bei seinem Antritt 2015 fragten sich bereits viele, was den einstigen Mann von Welt in die freistaatliche Provinz trieb. Zuvor hatte er sich als Generalsekretär des Zentralrates der Juden in Deutschland und Leiter des Berliner Büros des European Jewish Congress einen Namen gemacht. Jetzt verdingte er sich vor allem dem Kampf gegen rechts. Durchaus erfolgreich, darf man sagen.

Dabei war sein Start als Behördenleiter ziemlich holprig. Was damit zu tun hatte, dass Kramer eigentlich nicht die Voraussetzung für den Job erfüllt. Die im Gesetz verankerte Befähigung zum Richteramt hat er nicht. Aber da zwischen den Paragrafen das Wörtchen „soll“ zu finden ist, blieb das Ganze Auslegungssache.

Nun allerdings möchte Kramer gerne im Wahlkreis 192 Gotha-Ilmkreis seinen (Schlapp-)Hut in den Ring werfen. Weil hier zuletzt stets CDU-Mann Tankred Schipanski erfolgreich war, empfiehlt es sich jedoch, den Karriereschritt über einen aussichtsreichen Listenplatz abzusichern. Da mehr als drei Thüringer SPDler im Reichstag (eher weniger) wegen chronischer Umfrageschwäche nicht realistisch sind, müsste es also schon Platz drei sein. Auf den hat jedoch, wie man hört, auch die Sprecherin von Innenminister Georg Maier, Anne Bressem, ein Auge geworfen. Dass der Minister auch noch SPD-Landesvorsitzender ist und damit gleich beide Kandidaturen begrüßen darf, macht die Lage nicht übersichtlicher.

Zumal der Ehrgeiz Kramers zwar bekannt war, aber sein Vorpreschen die Genossen doch überrascht hat. Selbst Parteifreunde halten den Geheimdienstmann nicht gerade für eine Idealbesetzung.

Zum einen, weil Kramer sich bislang mit der Beobachtung der AfD profiliert hat. Im Wahlkampf wird das alles andere als hilfreich sein. Mit seinem Verfassungsschutzchefdasein wird es deshalb wohl ein Ende haben, egal ob es für Berlin reicht oder nicht.

Zum anderen hat sich Kramer in der Vergangenheit als politisch sehr flexibel erwiesen, war auch bereits CDU- und FDP-Mitglied.

Ob Linke und Grüne nicht auch Interesse hätten, ist nicht bekannt.

Landeskorrespondent Elmar Otto erreichen Sie unter e.otto@tlz.de