Elmar Otto über ambivalente Charaktere.

Bodo Ramelow erzählt gerne von seiner Verbundenheit mit Christine Lieberknecht. Der Linke hat der Christdemokratin einst bei einer wackeligen Landtagsmehrheit ins Amt verholfen: Als er 2009 im dritten Wahlgang gegen sie antrat, sorgte das dafür, dass sich die Reihen schlossen und Lieberknecht Ministerpräsidentin wurde.

In diesem Jahr wäre sie beinahe auf Bitten Ramelows als Übergangsregierungschefin eingesprungen. Die beiden pflegen seit gut drei Jahrzehnten das, was man „respektvolles Miteinander“ nennt.

Der Gewerkschafter und die Pfarrerin schöpfen beide Kraft aus ihrem evangelischen Glauben. Und als engagierte Christenmenschen verstehen sie sich in der Kunst der Umarmung.

Aber wo so ein Kuschelkurs enden kann, weiß am besten die SPD. Denn Lieberknecht war als Koalitionspartnerin zwar moderat und verbindlich, kannte aber wenig Skrupel, wenn es um eigene Ziele ging. Und so entpuppte sich die nur vermeintlich innige Beziehung mit der CDU-Landesmutter als Würgegriff: Bei der nächsten Landtagswahl sackten die Sozialdemokraten weiter ab und verstanden erst jetzt, warum Lieberknecht von Parteifreunden auch „schwarze Mamba“ genannt wurde.

Mit der Umarmung ist das in Corona-Zeiten so eine Sache. Aber auch Ramelow ist ein Meister darin, politische Konkurrenten einzuwickeln. Innerhalb der rot-rot-grünen Koalition hat das fünf Jahre gut geklappt. Trotz einiger Alleingänge und manch aufbrausender Trotzphasen des Chefs.

Nun regiert Ramelow erneut mit SPD und Grünen, aber die Mehrheit fehlt. Und so darf die CDU als Stabilitätspaktpartner viel mehr mitspielen, als ihr bisweilen lieb ist. Vor allem beim Haushalt 2021 scheinen die Fronten jetzt verhärtet. Dabei flötete Ramelow jüngst noch, die CDU werde sich als „konstruktive Opposition erkennbar einbringen“.

Doch anstelle von Harmonie grollt aktuell Theaterdonner.

CDU-Fraktionschef Mario Voigt zerpflückte den rot-rot-grünen Finanzplan als „völlig unzulänglich“ und wies genüsslich darauf hin, dass entgegen der Vereinbarungen der Etatentwurf im Juli nicht vorgelegen habe und damit eine Auseinandersetzung während der Sommerpause nicht möglich gewesen sei. Seien aus diesem Grund längere Verhandlungen erforderlich, gewährleistete allerdings die in der Verfassung verankerte vorläufige Haushaltsführung, dass der Freistaat handlungsfähig bleibe.

Für Ramelow klang das nach Verzögerungstaktik. Wollte die CDU etwa die Debatte hinauszögern, damit nicht wie vereinbart im April, sondern erst im Herbst nächsten Jahres gewählt wird? Dann nämlich hätte sie mehr Zeit, in den Umfragen zuzulegen.

Der Ministerpräsident polterte deshalb, solche Äußerungen seien „kreuzgefährlich für die Stabilität unseres Landes“. Die CDU müsse sich vertragstreu verhalten, und das bedeute, dass 2020 ein Haushalt beschlossen werde.

Aus der Umarmung ist also gerade ein Nahkampf geworden.

Aber Voigt wird das einzuordnen wissen. Unter Lieberknecht war er Generalsekretär und kennt sich mit ambivalenten Charakteren aus.

Ramelows neuer Spitzname: rote Mamba.

Landeskorrespondent Elmar Otto erreichen Sie unter e.otto@tlz.de