Elmar Otto über politische Absurdität.

Der Tag danach hielt gleich mehrere Überraschungen parat. Die erste wartete nach einem langen Landtagswahlabend im Erfurter „Dasdie“. Dort hatte sich die FDP auf ihrer Party zur Fünf vor dem Komma und damit zum Parlamentseinzug gezittert.

Der Montag war noch keine Stunde alt, als ein Freidemokrat den Heimweg antreten wollte, aber nicht konnte. Denn er fand sein Auto nicht mehr an der vermuteten Stelle. Dass indes hatte weder mit Diebstahl noch dem Abschleppdienst zu tun. Vielmehr war der Mann nicht nur glück-, sondern auch ein wenig bierselig und hatte einfach nur den Parkplatz verwechselt. Sicher nach Hause chauffiert wurde er dann von seiner Lebensgefährtin.

Aus fetentechnischer Sicht dürfte sich der Liberale, der vor einigen Jahren noch Christdemokrat war, verbessert haben. Bei der CDU-Wahlparty im Dompalais war die Stimmung, nun ja, nach der historischen Reduktion mit „verhalten“ noch wohlwollend umschrieben.

Am Morgen danach fiel uns folgender Tweet ins Auge, der für die nächste Überraschung sorgte: Darin dankte die Eichsfelder CDU allen Wählerinnen und Wählern ganz herzlich, die ihren Kandidatinnen und Kandidaten das Vertrauen geschenkt und sie zu „Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern“ gemacht hatten. Bei einer Landtagswahl eine steile These. Und für die Jusos, die angesichts fortschreitender Verzwergung der Mutterpartei wenig Grund zum Lachen haben, ein willkommener Anlass für Häme: „Sie haben anscheinend auch ordentlich gefeiert. Aber es sei ihnen gegönnt. ;-)“, twitterte der SPD-Nachwuchs.

Für die größte Überraschung aber sorgte Mike Mohring. Der CDU-Spitzenkandidat, der den bislang einzigartigen Absturz seiner Partei in der Wählergunst zu verantworten hat, verwirrte mit einer ungelenken politischen Rolle rückwärts. Seine Äußerungen im ZDF-Morgenmagazin und vor der versammelten Hauptstadtpresse legten den Schluss nahe, dass Mohring sich eine Koalition mit den Linken vorstellen könne. Das irritierte und erzürnte Parteifreunde und ließ politische Wettbewerber staunen. Während von den eigenen Leuten überwiegend ein „Das geht gar nicht“ zu hören war, dachte manch anderer „Was ein Teufelskerl“. Immerhin hatte Mohring einen strikten Anti-Linke-Wahlkampf geführt. Jetzt jedoch schien er mit den in den Augen vieler Konservativer nicht vermittelbaren SED-Nachfolgern ins zerzauste Bündnisbett steigen zu wollen. Und dabei kaum Interesse zu haben, die eigene Verantwortung für das Wahldebakel zu hinterfragen.

Was folgte, war erwartbar: ein „Alles nicht so gemeint“-Statement. Und die nächste 180-Grad-Wende. Nun wird nur noch mit dem Ministerpräsidenten gesprochen, aber nie und nimmer linkskoaliert.

Lesern des „Postillon“ dürfte die aktuelle Entwicklung bekannt vorkommen. Die professionellen Spaßmacher hatte schon nach der Landtagswahl vor fünf Jahren so eine Ahnung, dass sich in Thüringen etwas ganz Besonderes entwickeln könnte, und titelten im September 2014: „Einigung in Thüringen: CDU und Linke bilden Große Koalition“.

Ein Onlinekommentar dazu lautet wie folgt: „Merke: Je absurder die Meldung, desto geringer die Wahrscheinlichkeit, dass es sich um Satire handelt.“

Landeskorrespondent Elmar Otto erreichen Sie unter e.otto@tlz.de