Gerlinde Sommer zum Tage.

Liebe Leserinnen, liebe Leser.

Dieser 1. Mai gab zu denken. Es ist ja nicht so, dass der Tag der Arbeit ausgefallen wäre. Vormittags auf dem Weimarer Marktplatz – es wird auf anderen Plätzen im Land nicht anders gewesen sein –, waren einige Menschen versammelt, maskiert und auf Abstand. Es ging um Wichtiges: um Solidarität und Zukunft. Um gerechte Entlohnung. Um die Frage, wie verhindert wird, dass die Pandemiefolgen wenige ganz reich und viele arm machen. Es wurde deutlich Kritik an den Zuständen geübt.

Andere, die ebenfalls demonstrieren wollten, waren da noch unterwegs. Ihre Solidarität sollte an diesem Tag dem Weimarer Richter D. gelten, dem sie „weiße Rosen“ widmeten. Sein Anti-Masken-Urteil finden sie wegweisend. Ist doch egal, ob er damit seine Kompetenzen überschritten hat. Er traute sich was, heißt es da. Die Justizentscheidungen gegen ihre Demonstration galt ihnen dagegen als schändlich … Und dass Anne Frank womöglich gar nicht von ihnen vereinnahmt werden möchte, wird geflissentlich übergangen. Sich stets und ständig mindestens im Range einer NS-Widerständlerin zu betrachten, hat etwas Anmaßendes. Aber diese Anmaßung ist ein Zeichen der Zeit. Und wenn die letzte Maske weggepackt sein wird, kehrt keine Normalität in dem Sinne zurück, dass alles wieder sein wird, wie es mal war. Das liegt nicht an Corona, sondern an den Menschen, die sich in der Demokratie im Widerstand sehen. Sie machen meist gar keine Forderungen mehr an ihr Land auf. Warum? Vermutlich ist die Antwort bitter.