Gerlinde Sommer zum Tage.

Ich habe am Anfang meiner Berufsausbildung gelernt, dass nur bestimmte Jahresabstände zu Jubiläumsfeiern oder Gedenkjahren taugen: 25, 50, 75, 100… Die Redaktionen wollten sich so vor all jenen Geschäftsjubiläen erwehren, die zur Unzeit kamen – nach sieben, zehn oder 15 Jahren etwa.

Und es gab bei Strammrechten einen politischen Grund: 25 Jahre nach dem Kriegsende wurde – wie selbstverständlich – kaum der eigenen Vergangenheit gedacht. Aus ihrer Sicht sollte das bis zum 50. Jahrestag so bleiben. Blieb es aber nicht. Obwohl die Fragen bei der nachwachsenden Generation immer drängender wurden, hieß es 1985 häufig, dass 40 Jahre Kriegsende kein Grund seien, um sich ausgiebig mit der ganz konkreten Wirkung des NS in der Heimat zu befassen. Der Bundespräsident hatte aber bereits einen Geschichtswettbewerb angestoßen – und so kamen – heute würden sie sich wohl wertkonservativ nennen – bestimmte Politikkreise nicht umhin, diese Zeitgeschichte mitbetrachten zu müssen.

Ein Glückstag

1988 wurde in diesem Zusammenhang ein besonders wichtiges Jahr, weil da ein Ereignis 50 Jahre zurücklag, das viele lange marginalisiert und verdrängt hatten. Es geht um den 9. November 1938, als überall in Deutschland Synagogen in Brand gesteckt wurden von „ganz normalen Menschen“ und nicht gelöscht wurden von der „ganz normalen Feuerwehr“, außer es bestand Gefahr für Nachbarhäuser… Da zeigte sich in einer Brandnacht, wie schnell der Biedermann zum Brandstifter und Mörder werden kann.

Mittlerweile steht der 9/11 für mehr als 1918 und den Beginn dessen, was zur Weimarer Republik wurde und für das Pogrom 1938. Der 9. November ist auch ein Glückstag. Der Tag des Mauerfalls. Er liegt nun 30 Jahre zurück, und das ist viele Jubiläumsfeiern wert.