Gerlinde Sommer über Warteschlangen in Corona-Zeiten.

Liebe Leserinnen,
liebe Leser!

Gestern am Vormittag: Am Weimarer Goetheplatz stehen viele Menschen zwischen Bushaltestelle und Ampel-Überweg. Wer genauer hinschaut, der erkennt: Diese Menschen stehen nicht nur in gebührlichem Abstand zum Vordermann oder zur Vorderfrau. Sie tragen auch Pakete. Sie wollen zur Post – und bilden eine den Abstandsverhältnissen angemessene Warteschlange. Und wer ein wenig länger diesem Stehen und Vorrücken seine Aufmerksamkeit schenkt, der merkt auch: Trotz der Lücken drängelt sich keiner vor.

Wir haben also gelernt, was sonst wohl seit 30 Jahren nur noch die Briten richtig gut konnten: Anstehen mit Abstand. Oder auch: Anstehen mit Anstand.

Es ist zwar noch nicht wieder soweit, dass die Menschen sich ungefragt anstellen, wenn sie eine Warteschlange sehen – in der Erwartung einer besonders seltenen Ware. Aber wo immer heutzutage jemand mit einem Paket Klopapier rauskommt, gehen andere rein, um auch auf Vorrat diese neuartigen Wertpapiere zu erwerben. Ich scherze natürlich ein wenig, weil sich eben zeigt, dass die aktuelle Lage sowohl den Hamsterer als auch den freundlich Wartenden hervorbringt. Und zu diesen Zeiten gehören einerseits diejenigen, die versuchen, die Regeln des Abstandhaltens zu umgehen und rücksichtslos fröhlich zu zehnt Grillparty im Hinterhof zu feiern – und jene, die die Polizei rufen, weil drei Frauen auf einer Parkbank sitzen. Das schöne Wort Verhältnismäßigkeit bedeutet für jeden eben doch etwas anderes. Und zum Hamsterer gesellt sich der Polizei-Beschäftiger, der sich dann gerne aufregt, falls die Ordnungshüter im Moment wichtigere Aufgaben zu erledigen haben.

Ich finde, an dieser Stelle soll heute aber vor allem auch von denen die Rede sein, die ein Vorbild sind und ein Beispiel der guten Art geben. Danke.

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