Gerlinde Sommer über Einsamkeit und Kunst in Corona-Zeiten.

Liebe Leserinnen,
liebe Leser!

Da steht ein fülliger Mann in seiner ganze Schlichtheit auf sich zurückgeworfen und fleht: Ich habe einen negativen Test. Berührt mich. Warum berührt mich denn niemand?

Da ist einer, der immer gerne alle Menschen auf Abstand gehalten hat und sich nicht entscheiden wollte. Deshalb waren alle Beziehungen auch nur flüchtig. Und jetzt, wo er Abstand halten muss, merkt er, dass das frühere Alleinsein etwas ganz anderes ist als die neue Einsamkeit.

Wer bringt so etwas auf die Bühne? Wer macht es zum Thema in der noch immer coronagebeutelten Gesellschaft? Das Weimarer Kunstfest – und zwar mit einer Reihe von Uraufführungen etwas von Sibylle Berg und Falk Richter. Und es gibt noch eine ganze Reihe weiterer Stücke zu sehen, die Bezüge zur aktuellen Lage herstellen.

Das funktioniert derzeit auch deshalb so gut, weil vieles unter freiem Himmel stattfinden kann, in der alten Feuerwache. Da lässt sich Abstand halten. Und falls es nieseln sollte, können die Besucher maximal zu zweit unter einen Schirm schlüpfen, solange es dem Darsteller noch möglich ist, dem Regen zu trotzen. Aber bisher war der Regen nicht das Problem.

Das Problem wird offenkundig, wenn wir in die Spielstätten schauen, die eben nicht draußen sind. Drinnen wird noch immer ein Abstand vorgeschrieben, der es eigentlich nicht möglich macht, gedeihlich zu arbeiten und die Kunst nicht ganz und gar nur ganz wenigen Menschen zugutekommen zu lassen.

Seit ich in Salzburg jüngst ein Konzert mit dem Berliner Philharmoniker erlebt habe, bei dem drinnen jeder zweite Platz belegt und fast jeder im Publikum freiwillig auch während der Aufführung maskiert blieb, bin ich mir sicher, dass auch hierzulande ganz vorsichtig die Auslastung in den Stätten der Kunst ausgeweitet werden kann. Vor mir aus gerne mit mehr Ein-Personen-Stücken als sonst. Und ohne Pause, wenn das hilft, die Häuser zu öffnen. Von mir aus könnte auch Fieber gemessen werden … Denn eines sollte Corona wirklich nicht schaffen: die ungewollte, kunstfreie Vereinzelung.

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