Gerlinde Sommer über die Kleiderordnung im Sommer.

Liebe Leserinnen,
liebe Leser!

Die Frau am Schalter begrüßt mich mit den Worten: „Gerade habe ich zu meiner Kollegin gesagt: Da kommt mein Kleid…“ Im ersten Moment habe ich bestimmt ein bisschen ratlos geschaut, aber dann habe ich verstanden, was die Frau in der hellblauen Dienstbluse meinte: Sie hat zuhause im Schrank hängen, was ich trage. Und offenbar gefällt ihr das Kleid, auch wenn es nicht aus der aktuellsten Kollektion ist.

Sommerkleider darf sie nur privat tragen. Viele Menschen haben ja am Arbeitsplatz eine Kleiderordnung einzuhalten, auch wenn sie keine Medizinerinnen oder Krankenschwestern sind. Krawatte für den Herrn, kniebedeckender Rock für die Dame. Keine ärmellosen Tops – und wenn, dann gehört ein leichtes Jäckchen drüber. Keine kurzen Hosen im Amt… Und manchmal will sich eine Institution locker machen – und dann gibt es auch dazu Vorschriften für die Garderobe – und der Krawattenträger soll dann seinen Halsschmuck ablegen… Für viele war es daher wahrscheinlich noch in keinem Sommer leichter, sich leger zu kleiden: Im Homeoffice gelten diese strengen Regeln nicht, abgesehen von der Videokonferenz. Da sollte man nicht im Nachthemd oder Schmuddelshirt auf dem Bildschirm erscheinen.

In diesen Tagen ist es so warm, dass vielen Menschen das Arbeiten schwer fällt. Ich habe jüngst ein Interview mit einer Frau aus einem Dachdeckerbetrieb gelesen – und sie hat darüber berichtet, wie heiß es auf den Häusern werden kann. Nicht jeder, der sich bei diesen Temperaturen sein Dach richten lässt, habe ein Einsehen, wenn vermehrt Pausen nötig seien oder wenn auch mal an einer Baustelle hitzebedingt ausgesetzt werden müsse. Das Beste aber widerfahre ihr mit Menschen, die Bürojobs haben: Sie beneiden die Dachdeckerin selbst in der größten Hitze. Sie hört dann: Sie haben es gut. Den ganzen Tag draußen. Den ganzen Tag an der frischen Luft…