Gerlinde Sommer rät, einen Sachverhalt von mehreren Seiten zu beleuchten.

Liebe Leserinnen,
liebe Leser!

Von meinem Vater stammt der Spruch, man müsse alles vor- und zurückdenken. Er hatte diese Redensart von seinem eigenen Vater übernommen – und der wahrscheinlich von seinem Vater.

Was er damit meinte? Nun: Er riet zu einer allseitigen, aber dennoch schnellen Prüfung von Sachverhalten. Was ihn ärgerte war, wenn Menschen nur einen kurzen Blick auf ein Problem warfen und meinten, der bloße Augenschein reiche aus, um die richtige Antwort parat zu haben.

Ich habe diesen Spruch mir immer zu Herzen genommen – und er ist so eine Art Verbindung, auch wenn sich jüngst der Todestag meines Vaters bereits zum 26. Mal jährte.

An das Vor- und Zurückdenken erinnert mich das Schreiben einer Leserin: Sie berichtet von einer Freundin aus Berlin, die seit mehr als 35 Jahren in einer großen Klinik als Hebamme arbeitet, in der mehr als 3000 Geburten, auch viele Risikogeburten, stattfinden. Die Hebamme habe ihr von 16 Stunden dauernden Dienste berichtet und dass schon vor Corona Unterbesetzung ein Problem war . . . Inzwischen sei dort ein Sicherheitsdienst eingesetzt worden, um das Personal vor nicht verständnisvollen werdenden Vätern und Angehörigen der Schwangeren und jungen Mütter zu schützen . . . Klar sei es ein Einschnitt, wenn jetzt andere Regelungen rund um die Geburt gelten und im Wochenbett kein Besuch empfangen werden dürfe . . .

Die Leserin schreibt, in solchen Zeiten sollten solche Einschränkungen akzeptiert werden. Zum eigenen Schutz der Familie, der Mitmenschen und des Personals aller Kliniken. Die Berliner Hebamme habe gesagt: „Wer soll denn den Gebärdenden beistehen, wenn wir dann auch noch ausfallen?“

Natürlich verstehe ich auch die werdenden Väter und Mütter. Aber wie gesagt: Es lohnt sich, ein Thema allseitig zu beleuchten.

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