Gerlinde Sommer zum Tage.

Liebe Leserinnen, liebe Leser!

Ich habe in jüngerer Zeit hier die Geschichte von einer wohlsituierten Frau erzählt, die wie eine Dame aussah, aber keine Dame war. Denn Damen haben Benehmen – und dieses Benehmen resultiert aus der Kinderstube. Das Problem: Ihr Zug hatte Verspätung, aber weniger als eine Stunde. Deshalb konnte sie kein Geld herausschlagen. Das erboste die ungute Frau derart, dass sie am Schalter unflätig wurde – und das auch noch auf Kosten aller, die wegen wirklich wichtiger Fragen anstanden...

Die Geschichte dieser Nicht-Dame lässt sich toppen – und zwar von jener Frau, die sich jüngst auf einem Großbahnhof Folgendes traute: Sie stellte bei einem abfahrbereiten ICE ihren Koffer in die Tür, damit diese nicht geschlossen werden konnte. Warum machte sie das? Weil ihre Bekannte noch nicht da war und die beiden zusammen auf Reisen gehen wollten… Die Geschichte, so wurde mir erzählt, endete damit, dass eine Mitreisende den Koffer nach draußen expedierte und die Frau selbst auch zum Aussteigen – nun sagen wir – bewegte.

Das alles zeugt von zunehmendem Egoismus. Manche Menschen meinen offenbar, dass alles, was ihnen so als normales Pech im Alltag widerfährt, gleich ein Notfall sei, den es durch selbstgerechtes Handeln zu beheben gelte.

Die Anspruchshaltung ist durchaus mit den Jahren und Jahrzehnten gewachsen und diese Einstellung nimmt womöglich nicht mit dere Lebenserfahrung ab, sondern eher zu. Jedenfalls dann, wenn man diese ungute Grundeinstellung hat. Nun lässt sich sagen, dass wir von einer Minderheit sprechen. Aber es deutet manches darauf hin, dass diese Gruppe wächst. Womöglich geht manchem, der sich in diesem Jahr öfter als Egoist einen Namen machen wollte, zum Jahresabschluss ein Licht auf. Und sei es nur das Licht der vierten Kerze im Advent...

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