Gerlinde Sommer über dubiose Geschichtenerzähler.

Liebe Leserinnen,
liebe Leser!

In unserer Zeit gehört den Geschichtenerzählern die große Aufmerksamkeit. Und manchmal scheint es, als sei der Rattenfänger von Hameln allüberall unterwegs.

Beispiel 1: Jeden Tag und wohl vor allem jede Nacht fallen ganz viele einsame Menschen vor allem höheren Alters auf jene Herzensdiebe herein, die mit falschen Bildern Aufmerksamkeit erregen, mit falschen Worten Zuneigung heucheln und mit dummdreisten Bitten um Geld dann den schnellen Erfolg suchen. Zurück bleiben enttäuschte Menschen mit abgeräumten Konten. Jede und jeder denkt: Mir kann das nicht passieren. Aber jede und jeder denkt auch: Mit mir meint es der Herzensmensch ehrlich. Der angebliche Partner ist in solchen Fällen aber nur ein Gespinst aus Lügengeschichten und falschen Bildern. Wie kann es eigentlich sein, dass Menschen, die im ,normalen’ Leben misstrauisch sind und Sprüche sagen wie ,Beim Geld hört die Freundschaft auf’, einer ungeprüften Internetbekanntschaft blind vertrauen?

Beispiel 2: In Frankreich sind offenbar über Jahre Polizei wie auch Medien auf einen vermeintlichen Serienkiller-Experten hereingefallen. Der Mann hat Bücher geschrieben und schon dort Realität und Roman wohl nicht gut auseinanderhalten können. Und dann wurden seine Geschichten immer faszinierender: Wo er allenfalls recherchiert oder beobachtet hatte, wollte er plötzlich unmittelbar dabei gewesen sein. Manchmal machte er sich auch einfach die Geschichten der anderen zu eigen und durfte sogar Polizisten schulen. Das Renommee wuchs. Jetzt ist das wacklige Konstrukt aus einer Menge Hochstapelei und viel Fantasie zusammengebrochen.

Womöglich werden jetzt Experten gesucht, die solche Phänomene erklären. Die Fälle gleichen sich nicht. Aber immer geht es darum, dass jemand andere für dumm verkaufen will – zum eigenen Vorteil.