Gerlinde Sommer zum Tage

Liebe Leserinnen, liebe Leser!

Kriegsende und Muttertag: Die zeitliche Nähe wird in diesem Jahr einmal mehr deutlich. Und das gibt mir Anlass, an meine Großmutter mütterlicherseits zu erinnern, die ich hauptsächlich aus Erzählungen kenne, da sie allzu früh verstarb.

Diese Frau hat das Kriegsende als Befreiung erlebt. Als Befreiung von der Last, bespitzelt und bedroht zu werden. In den Kriegsjahren, als sie ihre Kinder, ihre blinde Mutter und das kleine Gehöft alleine durchbringen musste, war ihre größte Stütze das Gebet. Sie hoffte auf bessere, friedliche Zeiten. Und sie hoffte, dass nicht wahr gemacht würde, was ihr angedroht worden war: Die Familie sollte, wie es im Siegesrausch der Nazis ihr gegenüber hieß, ganz weit in den Osten umgesiedelt werden. Wie ernst der Plan je war, konnte sie nicht genau feststellen. Aber es war klar, dass ihr die Oberen im Dorfe damit Angst machen wollten. Sie durfte sich nichts anmerken lassen – vor allem nicht, wie sehr sie das Kriegsende herbeisehnte. Dass sie als „Betschwester“ betrachtet und besonders beobachtet wurde, war ihr durchaus klar.

Das Ende des Krieges, der so viele Wunden geschlagen hat, liegt nun 76 Jahre zurück. Es gilt heute, der Millionen Opfer zu gedenken. Und es gilt, jenen entschieden entgegenzutreten, die eine geschichtliche Wende wollen. Das bin ich meiner Großmutter schuldig. Zudem gilt es, Verantwortung dafür zu übernehmen, dass kriegerische Auseinandersetzungen, Rassismus und Menschenfeindlichkeit überwunden werden. Das geht nur gemeinsam.