Von Immanuel Voigt.

Sicherlich wird sich so mancher einstige DDR-Bürger noch an Erlebnisse mit der Roten Armee erinnern, die immerhin fast ein halbes Jahrhundert im Osten Deutschlands stationiert war. Mitunter gab es Reiberein zwischen den Soldaten und der Zivilbevölkerung aber, wenn auch nur im Kleinen, auch Freundschaften. Heute, gut 30 Jahren nach dem Abzug der sowjetischen Streitkräfte, sind die Spuren „der Russen“ überwiegend verschwunden, auch in Thüringen.

Denkmale gibt es nur noch wenige, einstige sowjetische Kasernen wurden abgerissen, verfallen oder werden schon seit längerem anderweitig genutzt.

Schon früh beginnt sich die Rote Armee von der ostdeutschen Bevölkerung abzuschotten. Die anfänglich nur hinter Bretterzäunen versteckten „Russenstädtchen“ bleiben für die DDR-Bevölkerung tabu und damit an sich auch fremd. Viele Anwohner berichten vor allem vom allsonntäglichen Krach der von Marschmusik, „Urra“-Rufen, Alarmsirenen und klapperden Essgeschirren ausgeht.

Anderen Orts rasseln Panzer durch das Dorf, die mitunter nicht nur das Straßenpflaster zerstören, sondern versehentlich so manches Gebäude beschädigen. Nicht zuletzt sind es die Hubschrauber „der Russen“, die oft so tief fliegen, dass man glaubt, sogar die Piloten erkennen zu können, die mit ihrem Lärm für Unmut sorgen.

Ein Blick Hinter diese Kulissen oder das bloße Fotografieren militärischen Geräts oder von militärischen Gebäuden ist für Zivilisten unter Strafe strengstens verboten.

Im heutigen Thüringen wird die 8. Gardearmee stationiert, die auch „Stalingrader Armee“ genannt wurde, da sie die Stadt an der Wolga im Zweiten Weltkrieg mit befreit hatte. Ihr Hauptquartier liegt damals in Nohra. Allein hier sind bis zu 5000 Rotarmisten stationiert. Im ganzen Thüringer Raum leben bis 1989 knapp 78.000 sowjetische Soldaten. Hinzukommen nochmals rund 26.000 Zivilangestellte und die Familienangehörigen der Soldaten, verteilt auf insgesamt 128 Liegenschaften, die gut 17.000 Hektar Land einnehmen.

Trotz der Abschottung kommt es im Alltag immer wieder zu Berührungen. So werden sowjetische Soldaten im Rahmen der „Sozialistischen Bruderhilfe“ als Erntehelfer eingesetzt, aber auch der Tauschhandel florierte bis hin zu illegalen Schiebereien. Verpönt und faktisch bis auf wenige Ausnahme verhindert werden „deutsch-sowjetische“ Ehen. Zwar gibt es immer wieder Beziehungen zwischen Rotarmisten und Frauen aus der DDR, politisch bleiben sie aber unerwünscht, vor allem weil die Sowjetunion permanent einen Verlust militärischer Geheimnisse befürchtet.

Besonders schlimm wirkte sich dieser Umstand dann aus, wenn bereits Kinder aus der Beziehung entstanden sind. Sowjetische Soldaten erkennen, vielfach auf Druck ihrer Vorgesetzten, die Vaterschaft oft nicht an. Bis heute gibt es keine Statistik darüber, wie viele Kinder in der DDR deshalb lediglich „Vater unbekannt“ in ihrer Geburtsurkunde stehen haben.

Berüchtigt sind auch die Fluchtversuche sowjetischer Soldaten. Die DDR-Bevölkerung schwankt zwischen Mitleid und Angst, da etwa bewaffnete Deserteure auch Schrecken verbreiten und man anschließend froh ist, wenn der Flüchtige von „den Russen“ festgenommen wird. Am 21. November 1992 heißt es schließlich „Auf Wiedersehen Deutschland“ für die 8. Gardearmee die von Weimar aus den Weg nach Osten antritt.