Von Immanuel Voigt.

Am 24. Oktober 1929 platzt die große Spekulationsblase in New York. Dieser „schwarze Donnerstag“, an dem die New Yorker Börse mit einem Schlag zusammenbricht, wird den Auftakt für eine weitere Wirtschaftskrise liefern, die bis dato beispiellos ist.

Schon am nächsten Tag sind die Auswirkungen bereits in Europa zu spüren, als hier die Finanzmärkte ebenfalls ins Wanken geraten. Spätestens im Winter 1929/30 wächst sich das Ganze zur Weltwirtschaftskrise aus, die in den kommenden Jahren nicht nur Deutschland, sondern auch Thüringen hart treffen wird. Die daraus resultierenden Folgen sind Massenarbeitslosigkeit, Verelendung, Anstieg der Kriminalität, der Einbruch des deutschen Exportmarktes und Rezession.

Für Thüringen kommt erschwerend hinzu, dass sich in strukturschwachen Industriezweigen und Regionen die Sogwirkung der Krise noch verstärkt, was etwa das Eichsfeld und den Thüringer Wald betrifft. Auch wirken sich noch immer die durch den Ersten Weltkrieg verloren gegangenen Exportmärkte negativ auf die thüringische Wirtschaft aus. Hier verstärkt die Krise diesen Effekt nochmals, da zwischen 1929 und 1932 ein Exportrückgang von 70 Prozent zu verzeichnen ist. Zugleich schnellt auch die Arbeitslosenzahl in die Höhe.

Waren 1928 noch etwa 55.000 Menschen in Thüringen arbeitssuchend, beträgt die Zahl im Sommer 1932 rund 150.000 Personen. Dabei trifft die Krise Thüringer Städte durchaus unterschiedlich hart. In Jena muss zwar der größte Arbeitgeber der Stadt, die Firma Carl Zeiss, durchaus Verluste hinnehmen, doch sind es gerade die optisch-feinmechanischen Erzeugnisse, die Zeiss am Leben erhalten, was auch der Belegschaft zugute kommt. So muss der Betrieb zwischen 1929 und 1932 nur rund 1000 Mitarbeitern (von anfänglich 6000) kündigen. Hinzu kommt, dass durch die Carl-Zeiss-Stiftung, die Ernst Abbe bereits 1889 ins Leben rief, die Arbeiter auch weiterhin abgesichert sind.

Selbst Ausländer, wie der amerikanische Journalist Hubert R. Knickerbocker, der in den Krisenjahren Deutschland bereist und seine Erfahrungen später in einem Buch verarbeitet, zeigt sich beeindruckt: „Dürfte man Deutschlands Wirtschaftslage nach der der Zeiß-Werke beurteilen“, so käme man zu dem Schluss, „das Land sei gesund, es habe eine gesicherte Zukunft, und seiner Bevölkerung gehe es gut“, notiert er.

In Erfurt zeigt sich eher das Gegenteil. Die hier vor allem noch immer ansässige Leicht- und Verbrauchsgüterindustrie und das Handwerk werden von der Krise schwer getroffen.

Die Industrieerzeugnisse finden kaum mehr Abnehmer. Daher steigt in Erfurt die Arbeitslosenzahl sogar noch über den Sommer 1932 hinaus weiter an. Prekär wirkt sich dabei außerdem die fehlende Arbeitslosenunterstützung aus. Von den etwas mehr als 19.000 Erwerbslosen im Dezember 1932 sind rund 75 Prozent auf private Hilfe angewiesen. Das Land versucht zwar durch „Notstandsarbeiten“ die Arbeitslosenzahlen zu mindern, doch ist dies nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

Dennoch entstehen in dieser Zeit beeindruckende Bauwerke mit Hilfe der Notstandsarbeiter, wie etwa die Bleilochtalsperre bei Saalburg. Nicht zuletzt sorgt die Verelendung aber auch für eine Verschärfung des politischen Klimas, das vor allem von den Demokratiefeinden, wie der NSDAP und der KPD, erfolgreich genutzt wird.