Immanuel Voigt über die Bleilochtalsperre.

Betriebsam geht es am Abend des 2. Dezember 1932 im Weimarer Hotel „Fürstenhof“ zu. Die Stimmung ist ausgelassen, schließlich haben die Anwesenden allen Grund zum Feiern. Plötzlich verstummt das Stimmengewirr, als das sanfte Klingen eines Glases ertönt.

Professor Dr. Rauch erhebt sich um seine Festrede zu beginnen. Sein Dank gilt nochmals allen Beteiligten, die dieses Riesenprojekt unterstützt haben, den Geldgebern, den Aktionären, den vielen Tausenden Arbeitern. Dann erhebt er sein Glas und schließt mit den Worten: „Viribus unitis, diesem Wahlspruch haben wir getreulich nachgelebt. Mit vereinten Kräften in treuer Zusammenarbeit ist das Werk erbaut und zu seiner Erbauung haben sich Reich und Länder die Hand gereicht.“ Darauf folgt ein Hoch auf das Vaterland.

An jenem Tag war eines der größten Bauprojekte der damaligen Zeit, die Bleilochtalsperre bei Saalburg, fertiggestellt und in Betrieb genommen worden. Doch bis es soweit war, gingen nicht weniger als gut sieben Jahre ins Land. Die Planungen für mehrere Talsperren im oberen Saaletal sind dagegen weitaus älter, als man zunächst vermuten würde.

Nachdem 1890 ein verheerendes Hochwasser der Saale weite Teile der anliegenden Städte verwüstete, in Camburg wurde damals beispielsweise eine Durchflussmenge von unglaublichen 1620 Kubikmetern in der Sekunde gemessen, stand vor allem die Frage des Hochwasserschutzes im Raum. Falls sich solch eine Jahrhundertkatastrophe wiederholen sollte, wollte man gewappnet sein. Damals ahnte niemand, dass es bis zum ersten Spatenstich noch etliche Jahre dauern würde. Doch bald schon kamen weitere Interessen hinzu, die das Projekt zusätzlich verzögerten. Zum einen hatte die Firma Carl Zeiss aus Jena spätestens in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg ein gesteigertes Interesse daran, den gesteigerten Energiebedarf für die Produktion zu decken und das möglichst unabhängig.

Während des Ersten Weltkrieges reiften die Pläne, die dann in den 1920er-Jahren konkrete Gestalt annahmen. Dabei geriet Zeiss aber in Konflikt mit dem Reich, da in dessen Augen ein allgemeiner Ausbau der Wasserstraße im Vordergrund stehen sollte, der nicht nur einer einzigen Firma zugutekommen sollte. Zudem besaß Preußen noch immer die Region Ziegenrück, die man als Faustpfand gegen das Land Thüringen beim Ausbau des oberen Saaletals einsetzte.

Eine Einigung konnte erst 1925 erzielt werden, weswegen der Bau der später so bedeutenden Bleilochtalsperre nicht eher vonstatten gehen konnte.

Um diese Talsperre nun endlich zu errichten, wurde Ende Januar 1925 die Aktiengesellschaft „Obere Saale“ mit Sitz in Weimar gegründet. Ihr oblag die Koordination und die Obhut über den Bau. Als Ort für die Staumauer wurde eine etwa sechs Kilometer unterhalb von Saalburg gelegene Engstelle der Saale gewählt, da hier das Gestein besonders fest ist. Dann begann zwischen 1925 und 1929 zunächst der Aufbau der Nebenanlagen der Talsperre.

Allein dies bedeutete schon einen enormen Aufwand, da neue Brücken und Straßen errichtet werden mussten. Auch baute man eigens eine Kleinbahn, die von Schleiz bis Saalburg führte, um Material heranzuschaffen. Zwischen 1930 und 1932 folgten dann die Hauptarbeiten an der Staumauer und dem Krafthaus, das später die Turbinen zur Stromerzeugung beherbergen sollte. Ein ungeheurer Aufwand, der sich in beeindruckenden Zahlen wiedergeben lässt. Für die 65 Meter hohe und 205 Meter breite Staumauer nebst dem Krafthaus wurden 210.000 Kubikmeter Beton verwendet. 20.000 Mann arbeiteten am Bau dieses Mammutprojektes, darunter waren allein 17.000 Notstandsarbeiter, also Arbeitslose, die man damit für eine gewisse Zeit in Lohn und Brot brachte. Während der Arbeiten ereigneten sich elf Todesfälle. Um den Stausee, der später eine Länge von 28 Kilometern ergeben würde, zu realisieren, mussten 700 Menschen eine neue Heimat finden, indem man sie umsiedelte. Am 2. Dezember 1932 war es dann schließlich soweit. Vor 300 Gästen, die aus Vertretern der Arbeiterschaft, der Verwaltung vor Ort, Mitgliedern der AG „Obere Saale“ und Gesandtschaften des Reiches und der Länder bestanden, wurde das Bauwerk in Betrieb genommen. Der damalige Reichsverkehrsminister Gährs startete die Anlagen einer der größten Talsperren Europas.